Der Fluch der Makaá
übrig geblieben war, und legten uns dann hin. Der Himmel war mit Wolken verhangen, und eine Schwüle legte sich drückend auf die Erde, was ein Einschlafen lange unmöglich machte. Auch wurde uns rasch klar, weshalb das Feuer immer wieder neu geschürt wurde: der Rauch hielt einen Teil des Mückenheeres, das uns surrend umlagerte, von unserer Hütte fern. Wie gesagt, nur einen Teil…
Immer wieder wachte ich auf, wenn mich die Biester zu sehr ärgerten und bald schon war das Jucken so unerträglich, dass ich kein Auge mehr zubekam. Oliver wälzte sich unruhig auf seinem Lager hin und her, doch er schien trotz allem zu schlafen. Bley lag bis unter die Nasenspitze zugedeckt und schlummerte seelenruhig. Ich wunderte mich, dass er unter der Decke vor Hitze nicht umkam. Wahrscheinlich erschien ihm das Schwitzen im Vergleich zu den lästigen Mückenstichen das kleinere Übel zu sein, und er mochte wohl recht haben.
Meine Augen wanderten flüchtig über die Italiener hinweg zu Roberts Lager und fanden es leer. Hastig setzte ich mich auf und spähte umher. Mein Bruder saß gegen einen der Stützpfeiler der Hütte gelehnt, kratzte sich eine juckende Stelle am Arm und blinzelte verträumt in die Nacht hinaus. Ich legte meine Decke um die Schultern und setzte mich neben ihn.
„Kannst du auch nicht schlafen?“, flüsterte ich ihm zu.
„Schon eine ganze Weile nicht mehr“, verriet er mir. „Diese Mücken sind die reinste Plage. Weißt du noch, Carlos hatte uns davor gewarnt.“
„Ich weiß.“
Wir schwiegen einen Moment. „Also Mel, Mateo ist weg. Willst du mir nicht erzählen, was du weißt?“
„Ich habe keine Ahnung, wieso er gegangen ist“, gab ich zu. „Aber ich habe gestern Nacht tatsächlich etwas Seltsames gehört.“
Und dann erzählte ich Robert mit gedämpfter Stimme, was ich in der Nacht erlebt hatte. „Das stinkt zum Himmel, das sag ich dir!“, schloss ich ab.
Robert dachte nach und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. „Und du bist ganz sicher, dass eine Waffe im Spiel war?“
„Was sollte es denn sonst gewesen sein?“
„Und wer hat die Waffe? Mateo oder Bley?“, fragte Robert.
„Woher soll ich das denn wissen? Ich habe doch keine Röntgenaugen. Fest steht nur, dass beide etwas auf dem Kerbholz haben. Es ist tatsächlich so, wie die Makaá uns geraten haben: Traue niemandem!“ „Und was schlägst du vor?“
„Am liebsten würde ich sofort mit Oli und dir aufbrechen, um von Bley wegzukommen. Aber das können wir nicht machen.“
Wie zur Erinnerung riss in diesem Moment die Wolkendecke auf und der Mond leuchtete mahnend zu uns herab: nur noch ein winziger Hauch fehlte zu seiner totalen Vollendung.
„Wir müssen morgen die Höhle erreichen, um jeden Preis. Und dazu brauchen wir Bley, ohne ihn schaffen wir es nun mal nicht. Stimmst du mir zu?“ Robert nickte langsam. „Bley ist unser Gollum.“ Ich verkniff mir ein Lachen. „So könnte man es auch ausdrücken.“ Wir kamen überein, Oliver nichts zu verraten. Es war wichtig, dass wenigstens er ein unbekümmertes Verhältnis zu Bley aufrecht erhielt, wo doch unseres schon so getrübt war. Außerdem würde er sich garantiert wieder verplappern. Dann legten wir uns hin und warteten sehnsüchtig auf den Sonnenaufgang.
Tag 17 nach dem Absturz
W ie alles, auf das man wartet, zog sich auch diese Nacht in endlose Länge. Doch schließlich saßen wir wieder in dem graugrünen Kombi, um zu unserer letzten Etappe aufzubrechen. Zum Zeitvertreib zählten wir unsere Mückenstiche und übertrumpften uns gegenseitig mit horrenden Zahlen.
Sobald wir aus dem Orinoco-Delta heraus waren, änderte sich die Landschaft. Die Erde wurde felsiger und hügeliger und ganze Waldstriche, durch die sich die Straße in Serpentinen bergauf und bergab schlängelte, tauchten wie aus dem Nichts auf.
Hatten wir diese hinter uns gelassen, so prägten nun bebaute Felder das Bild. Obst- und Kaffeeplantagen wechselten sich ab, und es bestand kein Zweifel daran, dass wir El Oriente erreicht hatten, den Teil Venezuelas, der die Guácharo-Höhle beherbergte. Nach ein paar Stunden Fahrt erreichten wir wieder eine wilde Gegend. Regenwald pur. Die Straße wurde schlechter, und wir kamen aufgrund vieler Kurven immer langsamer voran.
„Zum Glück ist es jetzt nicht mehr weit“, versicherte uns Bley. „Wir werden noch vor Einbruch der Dunkelheit die Höhle erreichen.“ Ein Aufatmen ging hörbar durch das Auto.
Zweimal machten wir eine Pause. Einmal, um uns die
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