Der Fluch der Makaá
welche verwöhnten Touristenkinder begaben sich schon freiwillig für mehrere Tage in die gefährliche Wildnis eines Urwaldes, ohne Schutz und Verpflegung! Anscheinend bedachte auch Mateo dieses Argument, denn plötzlich kehrte der sanfte Ausdruck in seine Augen zurück, und er setzte sich wieder hin. „Was heißt das – Absprung?“, fragte er erneut, aber wesentlich gefasster.
„Nun ja“, begann Oliver mit einer Leichtigkeit wie man sie, angesichts unserer Umstände, nur in seinem Alter haben konnte, doch diesmal kam ich ihm zuvor: „Carlos, also unser Pilot, ist mit einem Fallschirm abgesprungen, als wir gerade über die Angel Falls flogen. Er hat uns allein im Flugzeug zurückgelassen. Es hat den Anschein, als wäre unser Absturz geplant gewesen.“
„Aber wieso?“, rief der junge Indianer fassungslos.
„Wenn wir das so genau wüssten…“, murmelte ich und blickte düster.
Mateos Vater berührte seinen Sohn am Arm und wisperte ihm ein paar Worte ins Ohr. Mateo antwortete knapp, woraufhin seine Eltern mit einem kurzen Kopfnicken den Tisch verließen. Die Mutter wies auf unsere leer getrunkenen Becher. „Algo mas?“, fragte sie, und selbst ohne großartige Spanischkenntnisse verstanden wir und ließen uns gerne noch einmal Tee einschenken.
„Wieso sind sie gegangen?“, wunderte ich mich, nachdem die Indianerin ihrem Mann aus der Hütte gefolgt war.
„Mein Vater wollte wissen, warum ich so aufgebracht bin, aber ich habe gesagt, dass der Zeitpunkt, ihm alles zu erklären, ungünstig wäre, und ich es daher später tun werde.“, erläuterte Mateo. „Aber jetzt zurück zu euch. Also: ihr meint tatsächlich, jemand wollte, dass euer Flugzeug abstürzt. Wisst ihr, das ist eine ziemlich abenteuerliche Geschichte. Und es fällt schwer, sie zu glauben…“
„Sie ist trotzdem wahr“, fuhr Robert dazwischen. Auch er schien die Zweifel bei unserem jungen Gastgeber gespürt zu haben. Mateo nickte langsam. „Und was habt ihr jetzt vor?“
„Na, wir suchen unsere Eltern, ist doch klar!“ Oliver riss die Augen auf und machte ein Gesicht, als wäre es die logischste Sache auf der ganzen Welt. Mateo verzog keine Miene. „Natürlich. Wo wollt ihr nach ihnen suchen?“, fragte er.
Meine Brüder richteten ihre Blicke erwartungsvoll auf mich. Hallo – hatte ich etwa eine Ahnung? Mateo missverstand unser Schweigen nicht. „Ihr braucht wenigstens einen Anhaltspunkt, wenn ihr schon kein Ziel habt“, gab er nüchtern zu bedenken. „Glaubt ihr, der Pilot hat etwas damit zu tun?“
„Jede Wette!“, rief Oliver lauthals, woraufhin ich ihm leicht in die Seite puffte. „Bist du jetzt mal still?“, raunte ich ihm zu.
„Was für einen Grund hatte, wie war gleich sein Name – Carlos – eine Touristenfamilie zu beseitigen ? Ihr macht doch Urlaub in diesem Land, oder nicht?“ Mit prüfendem Blick betrachtete er uns sehr lange.
„Unsere Eltern waren aus beruflichen Gründen in Caracas“, erklärte Robert bereitwillig. Ich fand es merkwürdig, dass er so offen über alles redete, während ich mich diesmal eher zurückgehalten hätte. Normalerweise war es bei uns immer andersherum, doch ich vertraute dem natürlichen Gespür meines Bruders, das ihm in Mateo einen Freund vermuten ließ. „Es stand vor ein paar Tagen überall in der Zeitung, vielleicht hast du auch davon gehört: Im Sofia Imber Museum in Caracas wurde das Original der Odalisque von Matisse durch eine Fälschung ausgetauscht. Meine Eltern haben zu dieser Erkenntnis beigetragen.“
Mateo schloss für einen Moment die Augen. Er saß so ruhig auf dem Stuhl uns gegenüber, dass ich fast schon glaubte, er wäre mitten im Gespräch eingeschlafen. Natürlich täuschte ich mich, denn ebenso plötzlich wie er seine Augen geschlossen hatte, öffnete er sie wieder und lächelte uns an. „Selbst wir Indianer lesen hin und wieder die Zeitung. Ja, ich habe davon gehört. Aber es steckt noch mehr hinter dieser Sache, habe ich recht?“
„Ich glaube schon“, entgegnete ich. „Fakt ist: Wir wollen unsere Eltern finden. Und wir haben einen Anhaltspunkt.“
Mateo richtete sich erstaunt auf und spitzte die Ohren. „Welchen?“
„Robert, zeig es ihm bitte“, bat ich und unterdrückte ein Gähnen. So interessant und spannend die Unterhaltung war, ich war einfach hundemüde, und sehnte mich nur noch nach einem Bett. Oliver schien es ähnlich zu gehen, er konnte kaum noch aus den Augen gucken, so schmal waren sie unter der Müdigkeit, die auf die Lider
Weitere Kostenlose Bücher