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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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nutzte sie nicht. Als ich auftauchte, stand er noch immer da. Konnte er denn nicht sehen, dass ich im Moment auf seine Gesellschaft verzichten konnte?
    „Würdest du bitte… Ähm, weißt du, ich wasch mich gerade…“
    „Keine Sorge, ich bin gleich weg. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass du nachher zur Hütte meiner Eltern kommen sollst. Es gibt etwas, worüber wir reden sollten“, erklärte mir Mateo, bevor er mit einem Kopfnicken die Bucht verließ und pfeifend den Weg zum Dorf einschlug.
    Ich betrachtete das Stück Seife in meiner Hand. Es war klein und weiß und roch süßlich nach Blüten, die ich nicht kannte. Um eine erneute Störung zu vermeiden, wusch ich mich im Eiltempo, schlüpfte hastig in die frischen Kleider, die mir allesamt etwas zu weit waren, bearbeitete meine eigenen schmutzigen Klamotten mit Seife und zog sie einmal rasch durch das Wasser, um sie vom gröbsten Lehm und Dreck zu befreien, der wie eine dicke Kruste auf dem Stoff klebte.
    Dann folgte ich dem schmalen Pfad zurück zum Dorf und betrat die Hütte von No-oti und Paga-to. Der Hausherr war aus Kavac zurückgekehrt und man schien mich bereits zu erwarten. Oliver und Robert saßen auf einer Matte in der Wohnnische und unterhielten sich gerade leise mit Mateo, als ich duftend wie eine frische Blume – und so fühlte ich mich auch wieder – im Türrahmen erschien. No-oti nahm mir lächelnd die nassen Kleider ab und hängte sie zum Trocknen auf die Leine. „Gracias“, sagte ich und sie nickte gutmütig. Endlich ein Wort, das jeder verstand!
    Mateo sprang auf und wies mir einen Platz in der Wohnnische zu. Erst als ich näher trat, bemerkte ich neben Mateo und seinen Eltern eine weitere Person im Zimmer: eine kleine, gebeugte Frau, hager und allem Anschein nach uralt, saß auf einem Stuhl und blickte mit blassblauen, beinahe weißlichen Augen durch mich hindurch. Mateo beugte sich zu der alten Frau, küsste sie auf die Stirn und flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Ah“, machte die alte Frau und streckte die Hand nach mir aus. „Geh ruhig zu ihr“, munterte mich Mateo auf. Mit vorsichtigen Schritten näherte ich mich und reichte ihr etwas verlegen die Hand. „Buenos dias!“, sagte ich in dem höflichsten Tonfall, den ich aufbringen konnte.
    „Oh, mach dir keine Sorgen“, winkte Mateo augenzwinkernd ab. „Sie versteht kein Spanisch, und sie wird auch nur dann etwas sagen, wenn sie der Meinung ist, dass es wichtig sei. Sie wollte dich nur kennen lernen. Deine Brüder hat sie bereits begrüßt, als du am Fluss warst.“
    „Und wer ist sie?“, fragte ich.
    „Das, Mel, ist die Weise Frau!“, raunte Robert mir aus seiner Ecke zu. „Und wenn ich dir einen Tipp geben darf: was auch immer sie gleich macht, unterbrich sie dabei bitte nicht!“
    Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie verursachten die Worte meines Bruders bei mir ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Was in aller Welt würde gleich passieren?
    Die alte Frau hielt noch immer meine Hand, und obwohl sie mich gar nicht recht wahrzunehmen schien, hatte ich trotzdem das Gefühl, von ihr auf mein Innerstes geprüft zu werden. Nach einer Weile, die mir endlos schien, zog sie meine Hand zu sich und zwang mich dadurch in die Knie. Kaum hatte sie mein Gesicht vor sich, fuhr sie mit den knöchrigen Fingern über meine Stirn und meine Augenbrauen. Fragend blickte ich Robert aus den Augenwinkeln an. Er nickte mir aufmunternd zu. Anscheinend hatte er die gleiche Prozedur schon hinter sich. Nun gut, er hatte es überlebt, also wollte ich mich mal nicht so anstellen. Trotzdem war es ungewohnt und seltsam, sich von einer fremden Frau das gesamte Gesicht betasten zu lassen. Von ihren schmalen Händen schien eine ungeheure Kraft auszugehen. Ob es tatsächlich so war, weiß ich natürlich nicht, aber die mysteriöse Art und selbst die Bezeichnung Weise Frau veranlassten mich zu dem Glauben, dass sich vor der Indianerin tatsächlich nichts verbergen ließe, und dass sie mit dem Tasten mehr über mich in Erfahrung brachte als mit Worten. Fast hatte ich den Eindruck, die Frau wisse nun besser über mich Bescheid als ich selber.
    „Was war das denn?“, wisperte ich Robert zu, nachdem ich schließlich auf dem Teppich Platz nehmen durfte.
    „Ich denke, sie hat dich willkommen geheißen – auf ihre Weise.“
    „Und wieso durfte ich sie nicht unterbrechen?“, wunderte ich mich. Robert kicherte leise. „Als sie Olivers Gesicht abgetastet hat, hat er es ihr plötzlich gleichgetan,

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