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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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und ist mit seinen Händen über ihre Stirn gefahren. Die Frau war so überrascht, dass sie ihre Konzentration verlor und noch einmal ganz von vorne anfangen musste.“
    „Ich dachte, es wäre ein Spiel“, verteidigte sich Oliver achselzuckend.
    „Ist doch nicht so schlimm“, tröstete ich ihn und strich ihm über den Wuschelkopf.
    „Ich finde es auch nicht schlimm“, gab Oliver der Ehrlichkeit halber zu. „Und ich würde es wieder tun. Ihre Stirn fühlt sich an wie zerknittertes Seidenpapier… Aber alle anderen haben gelacht.“
    „Nun ja, es sah schon irgendwie lustig aus“, meinte Robert und unterdrückte ein Lachen. Während wir uns unterhielten, standen die Indianer um die Weise Frau herum und berieten sich mit ihr. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die so eigenartig und schön war, dass ich gar nicht anders konnte als ihrem Klang zu lauschen. Schließlich verließ Mateo das Grüppchen und gesellte sich zu uns.
    „Und, wie geht’s euch nach all dem?“, fragte er in lockerem Ton. „Ganz gut“, antworteten wir und dachten im Stillen darüber nach, aus welchem Grund sich in den letzten Minuten unsere Stimmungslage so positiv verändert hatte.
    „Nun, ich kann mir vorstellen, dass das sehr ungewohnt für euch war“, zeigte sich Mateo verständnisvoll.
    „Allerdings, man trifft heutzutage nicht oft auf Weise Frauen, die einem die Hände auflegen“, meinte Robert. „Aber es ist schon in Ordnung. Es hatte sicherlich seinen Grund, nicht wahr?“
    „Den hatte es“, gab Mateo zu. „Keine Regung im menschlichen Herzen bleibt der Weisen Frau verborgen. Sie hat euch geprüft. Das Gute ist: sie hat keine Lüge in euch feststellen können.“
    „Freut uns, das zu hören“, murmelte ich und zog einen schiefen Mund. Obwohl ich mir bewusst war, dass die Geschichte, die wir Mateo am Vorabend erzählt hatten, nicht leicht zu glauben war, kränkte es mich doch ein wenig, dass er uns offensichtlich nicht vertraut hatte.
    „Was hat sie dann feststellen können?“, fragte Robert.
    „Die Weise Frau redet nie über die Geheimnisse, die sie in den Herzen anderer Menschen sieht. Daher kann ich nicht sagen, was sie bei euch gesehen hat. Außerdem geht es mich auch nichts an.“
    „Am Fluss hast du gesagt, dass du mit uns über etwas reden möchtest“, erinnerte ich den jungen Indianer. „Also, worum geht es?“
    Mateo presste die Lippen aufeinander und warf einen Blick zu seinen Eltern, die noch immer leise redend bei der alten Frau standen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, wie er es am Tag zuvor schon einmal gemacht hatte – anscheinend tat er es immer dann, wenn er versuchte seine Gedanken zu sammeln – und als er sie wieder öffnete, begann er mit gedämpfter Stimme zu sprechen: „Es geht um Roberts Zeichnung. Ich habe sie gestern den Ältesten gezeigt, die sich daraufhin lange mit der Weisen Frau beraten haben. Das ist auch der Grund, weshalb sie euch heute kennen lernen wollte. Ihr habt keine Ahnung, was das für ein Zeichen ist, nicht wahr?“
    Wir schüttelten wortlos unsere Köpfe.
    „Das dachten wir uns schon“, sagte Mateo mehr zu sich selbst. „Also gut. Ich glaube, ich muss euch da etwas erklären. Aber vorher möchte ich dich etwas fragen, Robert: du hast mir nicht gesagt, wo du dieses Symbol gesehen hast, und ich habe dich nicht weiter danach gefragt. Aber nun will ich es wissen. Liege ich richtig mit der Vermutung, dass du ein Brandmal gesehen hast?“
    „Woher weißt du…?“, rief Robert und riss die Augen auf. Wir alle schnappten erst einmal nach Luft. Es gab so viele Möglichkeiten, wo wir das Bild hätten sehen können – wie konnte Mateo diesen Volltreffer landen?
    Der junge Indianer blickte in unsere erstaunten Gesichter und nickte. „So etwas habe ich mir schon gedacht“, murmelte er und sein Gesicht wurde ernst. „Wisst ihr, es ist seltsam. Dieses Zeichen war über Jahrhunderte verschwunden – und ihr bringt es in unser Dorf. Einfach so…“
    „Was ist das für ein Zeichen, Mateo? Erklär es uns!“, bat ich.
    „Das wollte ich gerade tun. Aber damit ihr den Zusammenhang versteht, muss ich ein wenig weiter ausholen. Lasst uns einen Blick auf Venezuela werfen, bevor die Weißen kamen, als das Land noch den Indianern, den Eingeborenen, oder auch Indígenas , wie sie genannt werden, gehörte. So abwechslungsreich wie die Landschaft Venezuelas ist, so verschieden waren auch die einzelnen Indianerstämme, von denen es mehrere hundert in jeder Windrichtung

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