Der Fluch der Makaá
Zeilen. Und niemand in meinem Dorf, nicht einmal die Weise Frau, vermag zu sagen, worin der genaue Zauber der Makaá besteht. Vielleicht gibt es noch den einen oder anderen in der Gran Sabana, der mehr darüber weiß.“
An seinem Gesicht konnte ich genau erkennen, dass Robert mit dieser Antwort unzufrieden war. Und auch mir reichte sie nicht ganz: „So weit, so gut. Aber, Mateo, du hast noch immer nicht gesagt, was die ganze Geschichte bitte mit dem Symbol zu tun hat – und vor allem mit uns? Ich sehe einfach keinen Zusammenhang.“
„Nun ja“, sagte Mateo leise. „Bevor die Makaá verschwanden, verwischten sie ihre Spuren. Nichts sollte mehr an sie erinnern. Kein Zeichen, kein Symbol. Doch nicht alles hatten sie in den Köpfen der Indianer auslöschen können: Hierzu gehören der Ausgangspunkt für den Weg zu den geheimen Hallen und das Symbol, das diesen Ausgangspunkt markiert, ein dunkles Zeichen mit einem roten Kern, das jeder Makaá auf der Innenseite seines linken Armes tätowiert hatte. Nach dem plötzlichen Verschwinden der Makaá traute sich niemand mehr das Zeichen öffentlich zu tragen. Und dann, ganz plötzlich aus heiterem Himmel taucht es durch euch wieder auf!“ Mateo blickte jedem von uns fest in die Augen. „Ist das nicht seltsam?“
Meine Brüder und ich schauten uns ratlos an. „Wieso seltsam?“, fragte Oliver mit kindlicher Naivität. „Wir haben uns das Zeichen ja schließlich nicht selbst ausgedacht, sondern auf Carlos’ Arm gesehen.“
Mateo nickte heftig und hob den Finger. „Genau das ist seltsam! Hättet ihr das Zeichen in einem alten Buch oder irgendwo sonst gefunden, dann wäre dies zwar immer noch merkwürdig, aber nicht mehr unvorstellbar gewesen. Ihr müsst wissen, niemand darf dieses Mal tragen, außer einem Makaá. Es war zu ihren Zeiten bei Todesstrafe verboten, und selbst heute würde niemand auf den Gedanken kommen, es in irgendeiner Form zu benutzen – und nicht nur, weil es beinahe in Vergessenheit geraten ist. Der Fluch der Makaá lastet auf vielen Dingen, und allein die Furcht von ihm ereilt zu werden schützt das Symbol vor Missbrauch. Und nun läuft jemand in Venezuela herum, trägt das Zeichen der Makaá und handelt auch wie einer. Damit stehen wir vor einem Problem. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, die diesen Sachverhalt erklären können: entweder, die Makaá sind wieder auferstanden…“
„…Oder sie waren nie wirklich tot“, flüsterte Robert.
D ie Sonne brannte heiß auf die Ebenen. Nicht einmal die Mücken trauten sich in der frühen Nachmittagshitze hinaus. Lediglich ein paar kleine Puri-Puri-Fliegen kreisten um unsere Köpfe, deren Stiche fast noch schlimmer waren als die der Mücken. No-oti hatte uns die Arme und Beine mit einem Kraut eingerieben, das die lästigen Biester von uns abhalten sollte. Ohne den Saft dieser Gräser hätten wir – laut Mateo – an jedem Stich mindestens drei Wochen lang unsere Freude gehabt.
Ich war mit meinen Brüdern zum Fluss hinuntergelaufen, um die Beine im kühlen Wasser baumeln zu lassen. Eine Schar Indianerkinder hatte uns auf unserem Weg begleitet. Lachend und kreischend sprangen sie in den Fluss und spritzten sich gegenseitig nass. Keiner von uns Dreien hatte Lust zu schwimmen, und so saßen wir nebeneinander an der Uferböschung und lauschten der sanften Strömung. Der Himmel war strahlend blau und die Landschaft in ihrer einladenden Weite atemberaubend schön. Unsere Mägen waren gut gefüllt mit No-otis schmackhaftem Mittagessen. Es gab gebratenes Huhn mit Maniok und einer mächtig scharfen Soße. Allem Anschein nach war dies ein Bilderbuchtag, wie man ihn sich für seinen Urlaub nur wünschen kann. Doch längst schon waren wir keine Touristen mehr, und nicht eine Sekunde dachten wir noch an Urlaub und Erholung. Unsere Gedanken kreisten um ganz andere Dinge.
„Also sagt schon, Leute. Glaubt ihr, Carlos ist ein Makaá?“, sprach ich schließlich die Frage aus, die uns alle beschäftigte. Robert hob die Schultern. „Er hat nun mal dieses Zeichen auf dem Arm…“, gab er zu bedenken.
„Aber er ist kein Indianer!“, warf ich ein.
„Eins zu eins“, kommentierte Oliver unseren Schlagabtausch.
„Mateo hat gesagt, dass jeder der Gemeinschaft beitreten konnte, der mutig und geschickt genug war. Wieso dann nicht auch ein Spanier?“, meinte Robert und hob eine Braue.
„Weil die Makaá schon von der Bildfläche verschwunden waren, als die Spanier noch nicht einmal wussten, dass sie
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