Der Fluch der Makaá
er, und man konnte ihm die unheilvolle Ahnung, die er hatte, deutlich anmerken.
„Wir holen unsere Eltern zurück“, sagte Robert ruhig. „Und wir machen es auf unsere Weise.“
„Allerdings brauchen wir deine Hilfe“, flüsterte ich. Aus der Ferne drangen aufgeregte Stimmen zu uns herüber. No-oti, Paga-to und die Polizisten hatten uns am Fluss nicht gefunden und kehrten zurück ins Dorf. Wir mussten rasch handeln. „Hilfst du uns?“
Ich ließ die Biegung, die zum Fluss hinunter führte nicht aus den Augen. Jeden Moment konnte eine Uniformmütze hinter den Sträuchern auftauchen. Die Zeit wurde knapp. Mateo schien hin und her gerissen, seine Gedanken überschlugen sich und er schloss die Augen, um zu seiner inneren Ruhe zurückzufinden. Als er sie wieder öffnete, war er wie umgewandelt. „Kommt mit!“, raunte er uns zu. Kaum hatte er es gesagt, schlug er in geduckter Haltung eine Richtung ein, die seitlich weg vom Fluss führte. Wie Mäuse huschten wir hinter ihm her, suchten Blickschutz im Schatten der Hütten und hinter den wenigen Bäumen und Sträuchern. Wir atmeten erst wieder auf, als die Stimmen verklungen waren, und nur noch das Zirpen der Zikaden wie schwingende Saiten über den Feldern vibrierte.
„Wohin gehen wir?“, fragte ich Mateo, als die Luft rein war.
„Ich bringe euch zu einem Ort, an dem ihr vorläufig sicher seid“, entgegnete Mateo. „Dort werden wir in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll!“
Wir erklommen einen sanften Hügel und als wir den Kamm erreicht hatten, wussten wir, dass Mateo kein besseres Versteck für uns hätte finden können. Unterhalb der Anhöhe stand inmitten eines grünen verwilderten Gartens ein baufälliges kleines Haus mit einem Türmchen, auf dessen Spitze ein schiefes Kreuz angebracht war.
„Das ist die alte Missionsstation“, erklärte Mateo, während er uns einen Weg durch das dornige Gestrüpp bahnte, das wild und ungezähmt den Vorgarten überwucherte. Allem Anschein nach hatte sich seit Jahren niemand mehr um die Pflege der Beete gekümmert. Mateo drückte mit der Schulter gegen die Holztüre und das verrostete Schloss sprang auf. Unter ächzendem Stöhnen öffnete sich die Pforte zu der kleinen Kapelle. Vorsichtig traten wir ein. Sogleich schlug uns die Finsternis mit Blindheit. Unsere Augen waren so sehr an das grelle Tageslicht gewöhnt, dass es eine Weile dauerte, bis die gedämpften Strahlen, die spärlich und zaghaft durch die staubverkrusteten kleinen Fenster fielen, genügend Licht boten, um uns einen Eindruck von der Kapelle zu verschaffen. Nachdem wir ein paar Mal geblinzelt und uns die Augen gerieben hatten, sahen wir Folgendes: Der Innenraum war ein lang gezogener Saal, auf dessen Boden fingerdick Staub lag. Die Wände waren mit Holz verkleidet, an denen einige Haken angebracht waren, vermutlich um daran Kerzen aufzustecken. Ein paar unbequem aussehende Stuhlreihen waren die einzigen stummen Zeugen längst verklungener Gottesdienste. Am hinteren Ende des Saales erhob sich mittig ein schlichter Altar, über dem ein Kruzifix wachte. In einer Tonvase steckten die Überreste eines Blumenstraußes, dessen vertrocknetes Gerippe unheimlich anmutete. „Die Putzfrau war aber nicht sehr gründlich“, meinte Oliver beim traurigen Anblick der kleinen Kapelle und rümpfte ein wenig die Nase. Es roch nach modrigem Holz, in dessen Inneren sich mit Sicherheit zahlreiche Holzwürmer tummelten. Irgendwo in einer Ecke scharrte es, man hörte kleine Füßchen über den schmutzigen Boden tappeln. Für Mäuse musste es hier genügend Schlupfwinkel geben, um sich ein schönes und gemütliches Nest zu bauen. Mateo stemmte die Arme in die Hüfte und blickte sich skeptisch um.
„Ein wenig heruntergekommen ist es schon“, gab er zu und klopfte den Staub von ein paar Stühlen.
„Ein wenig ist gut“, lachte Robert und hustete. Der Staub, den Mateo aufgewirbelt hatte, kratzte im Rachen.
„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal hier war…“, murmelte der Indianer verlegen. „Es kommen kaum Leute hierher.“
„Um so besser! Dieser Platz ist perfekt, Mateo!“, rief ich freudig. Ich hätte mir wahrlich kein besseres Versteck wünschen können. „Na dann“, lachte Mateo. „Dann macht es euch mal bequem. Ich werde jetzt zum Dorf zurückgehen. Es wäre zu auffällig, wenn wir alle plötzlich verschwunden wären. Aber ich komme wieder, sobald die Polizei weg ist. Bis dann!“
„Bis dann!“, verabschiedeten wir ihn. Krachend fiel die
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