Der Fluch der Makaá
Zauber nichts anhaben kann. Im Gegenteil, anstelle schwächer zu werden, wird er oft stärker. Und ich habe Respekt vor den Zauberkünsten der Makaá und nicht vor, mich dem Risiko auszusetzen, von ihrem Fluch ereilt zu werden.“
„Wenn du uns zu den Orten führst, ist dies bereits mehr als wir von dir verlangen können. Und es tut uns aufrichtig leid, dass wir dich in eine Sache hineinziehen, die dich eigentlich überhaupt nichts angeht. Von daher ist deine Bedingung durchaus gerechtfertigt“, sagte ich und gab mir große Mühe, mich möglichst gewählt auszudrücken. Schließlich hatte alles einen sehr ernsthaften, beinahe würdevollen, sakralen Charakter bekommen, der angesichts des Altars noch verstärkt wurde. In langen, orangefarbenen Strahlen fiel die Westsonne in die kleine Kapelle. Es ging nun rasch auf den Abend zu. Hatte Mateo nicht irgendetwas von Aufbruch gesagt? Gerade wollte ich ihn danach fragen, da erhob er sich und meinte, dass er uns erneut für eine Weile allein lassen würde. Er habe Vorbereitungen zu treffen, wir würden noch diesen Abend Uruyén verlassen.
„Mateo“, hielt ihn Robert an der Pforte auf. „Mateo, sag, was bedeutet das Symbol? Wo führt es uns hin?“
Der Indianer lächelte verschmitzt und seine Augen blitzten. „Versucht es selbst herauszufinden.“
„Gib uns wenigstens einen Tipp!“, bettelte ich und Mateo gab einen: „Indianer sind Naturvölker! Wenn sie etwas als Symbol benutzen, dann nur das, was Mutter Erde hervorgebracht hat! Denkt nach!“
„Mateo!“, hielt Robert ihn erneut zurück. Dieser drehte sich um mit einem unmissverständlichen Ausdruck in den Augen: was denn noch? Robert grinste verlegen. „Ich hätte gerne den Skizzenblock zurück. Denkst du bitte an meinen Rucksack? Er liegt noch in eurer Hütte!“
Mateo überlegte kurz, nickte dann und machte auf dem Absatz kehrt. Bevor ihn einer von uns nochmals daran hindern konnte, eilte er so rasch hinaus, als wäre er auf der Flucht. Ich stand am Fenster und blickte ihm nach, bis er hinter dem sanften Hügel verschwunden war. Am Horizont sah ich eine dünne, graue Rauchsäule in den Himmel steigen und seufzte. Gerne hätte ich Uruyén noch einmal gesehen.
D ie Dunkelheit legte sich um unsere Körper wie ein Schutzmantel. Lautlos bahnten wir uns einen Weg durch die Ebene, unsere Lichtquelle waren die Sterne, die zu Tausendmillionen am Himmelszelt blinkten. Wie Diebe schlichen wir durch die Grasfläche und nutzten das Tarntuch der Nacht, um neugierigen Blicken zu entgehen. Zu unserer Linken blinkten die Feuer von Uruyén, kleine Glühwürmchen in weiter Ferne. Noch ein paar Schritte, und zu dem Konzert der Zikaden mischte sich ein neues Geräusch: ein sanftes Glucksen und Plätschern verriet, dass das Wasser nicht weit war, und als der Boden vor uns die Sterne des Himmels reflektierte, wussten wir, wir hatten den Fluss erreicht. Mateo fand den schmalen Pfad, der am Ufer entlang führte, und bereits von so vielen Indianerfüßen ausgetreten war, dass man wie in einer kleinen Senke lief. Wir gingen ein paar Minuten in nördliche Richtung. Einmal weitete sich der Pfad, und ich meinte, die Stelle wieder erkannt zu haben, an der ich an diesem Morgen noch gebadet hatte. Mateo lief schnurstracks daran vorbei, bis der Pfad in eine Sackgasse mündete. Geradeaus lag die Gran Sabana wie ein breites Tuch, schwarz und unergründlich. Mateo bog rechts ab. Meine Augen hatten es vorerst gar nicht wahrgenommen, aber bei genauerem Hinsehen ragte ein schmaler Streifen ein paar Meter weit in den Fluss hinein, der noch dunkler war, als das fließende Wasser: ein Steg. Wir beeilten uns Mateo zu folgen, der es plötzlich sehr eilig hatte. Er kniete bereits an einem Pfosten und hievte seinen Beutel über den Stegrand. Ein langer, schmaler Einbaum lag dort angebunden und Mateo deutete uns an, unser kleines Gepäck in der hinteren Ecke zu verstauen. Ein wenig skeptisch war ich schon, als der Indianer uns aufforderte, in diese Nussschale zu steigen.
„Da passen wir doch nie alle rein!“, raunte ich ihm zu.
„Natürlich passen wir alle rein“, versicherte er und gab mir im Flüsterton zu verstehen, dass er keine Widerrede duldete.
„Aber wir kippen ganz bestimmt um“, murmelte ich, gehorchte aber doch. Vorsichtig ließ ich mich auf den Steg nieder und suchte mit den Füßen Halt auf dem schaukelnden Boot, das für mich nichts weiter als ein schwimmender, ausgehöhlter Baumstamm war. Als ich einigermaßen sicher stand und
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