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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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ich mir den Sand von der Hose und lief zu den beiden, um meine Hilfe anzubieten. Da jedoch bereits alles erledigt war, beschloss ich, mich einmal umzusehen, wo wir eigentlich gelandet waren.
    Der Rio Carrao weitete sich an dieser Stelle zu einer breiten, halbmondförmigen Lagune. Das Wasser floss ruhig und so langsam, dass man den Eindruck gewann, man stehe vor einem großen See. Zu meiner Rechten fiel das Ufer beinahe überall flach ab, zu meiner Linken wurde die Böschung zunehmend steiler, bis sie schließlich in Felsen überging, und von diesen Felsen stürzten eine ganze Reihe wunderschöner Wasserfälle in die Lagune. Sie waren nicht weiter als etwa zweihundert Meter von uns entfernt. Mit offenem Mund blieb ich stehen. Der Anblick war einfach atemberaubend. Und obwohl ich unterbewusst ein monotones Dröhnen vernommen hatte, wurde mir erst jetzt klar, dass es von den ungeheuren Wassermassen stammte, die in jeder Sekunde über die Klippen hinab fielen. Eins, zwei, drei… sieben Wasserfälle zählte ich, und dazwischen ein paar kleinere, die sich nach und nach über Felsvorsprünge den Weg in den See bahnten. Eingerahmt vom frischen Grün großer Bäume bot sich unseren Augen ein grandioses Schauspiel.
    Geradezu karg und ein wenig kläglich nahm sich dagegen der Platz aus, an dem wir an Land gegangen waren. Vereinzelt wuchsen ein paar Bäume, doch sie waren dürr und knorrig als hätte eine unsichtbare Hand vor vielen Jahren willkürlich ein paar verkümmerte Samen in die Luft geworfen, aus denen sie dann entsprungen waren. Ein spärlicher Graswuchs überzog den ockergelben Ufersand mit einem Hauch von undefinierbarem Grün. Etwa hundert Meter von der Lagune entfernt, verdichteten sich die Bäume jedoch zu einem Wald. Lautstark stimmten ein paar Tukane ein fröhliches Morgenkonzert an. Ab und zu mischte sich das muntere Geschnatter kleiner Äffchen unter das allgemeine Vogelgezwitscher. Von Menschen gab es weit und breit keine Spur. Wir waren wieder einmal in der Wildnis. Ich breitete die Arme aus und atmete die klare Luft tief ein. Im Osten schob sich eine dottergelbe Sonne so würdevoll über den Horizont, dass man nicht anders konnte als in Ehrfurcht zu erstarren. Ich schaute ihr so lange zu, bis ihr Licht so grell wurde, dass es meine Augen nicht mehr ertragen konnten. Es dauerte eine Weile, bis ich die Sonnenflecken, die lustig sowohl vor meinen offenen wie auch vor den geschlossenen Augen tanzten, weggeblinzelt hatte.
    „Hat jemand Hunger?“
    Unser Gepäck lehnte am schrundigen Stamm eines Baumes und Mateo zog etwas Brot und Käse aus seinem Beutel. Kurz darauf saßen wir alle zusammen unter dem grünen Blätterdach und frühstückten. Auf meine Frage, ob Mateo denn gar nicht müde sei nach der langen Nacht ohne Schlaf, antwortete er nur, dass es mehr Möglichkeiten gebe, sich zu erholen als Schlafen. Außerdem habe er vor, sich im Schatten der Bäume ein wenig auszuruhen, während wir uns auf den Weg zu den Makaá machen würden…
    Der Bissen Brot blieb uns beinahe im Halse stecken. Zwar hatten wir nicht vergessen, warum wir hier waren, doch so direkt damit konfrontiert zu werden, das fühlte sich beinahe so angenehm an wie ein Nackenschlag. Ich schob den Bissen Brot in die rechte Backentasche und blickte zu den Wasserfällen hinüber. „Sind das die Froschfälle?“, fragte ich Mateo leise. Der Indianer schüttelte den Kopf. „Der Salto Sapo liegt etwa einen Kilometer in östlicher Richtung.“ Mit dem Finger wies er direkt in den Urwald hinein. „Es gibt einen sehr schönen Pfad, der zu dem Wasserfall führt. Ich werde ihn euch zeigen.“
    „Und wenn wir dort sind, was sollen wir dann tun?“
    „Die Geschichten erzählen, dass es hinter dem Schleier des Salto Sapo eine verborgene Höhle gibt, die Höhle des einäugigen Frosches. An eurer Stelle würde ich sie suchen. Mehr kann ich euch leider nicht dazu sagen. – Ab jetzt seid ihr ganz auf euch allein gestellt.“
    Wir nickten, doch der Appetit war uns schlagartig vergangen und nur mühselig schluckten wir den Rest unseres Frühstücks hinunter.
    Wenn man etwas Unangenehmes vor sich hat, dann ist man stets geneigt, es so lange wie möglich hinauszuschieben. Bei meinen Geschwistern und mir war es nicht anders. Wir wurden sehr erfinderisch, wenn es darum ging Zeit zu schinden. Die Ausreden reichten von banal („Ich muss erst meinen Schuh zubinden“ von Oliver) über philosophisch („Wann ist ein Weg überhaupt ein Weg?“ von Robert) bis zum

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