Der Fluch der Makaá
Praktischen („Brauchen wir keinen Kompass? Was ist, wenn wir uns verlaufen?“ von mir).
Mateo rollte mit den Augen. „Der Pfad führt direkt zu den Fällen, ihr werdet euch nicht verlaufen. Garantiert nicht. An eurer Stelle würde ich allmählich aufbrechen. Nicht mehr lange, und die Touristen kommen. Ich weiß nicht, wie ihr darüber denkt, aber mir wäre es lieber, sie würden nichts von den Makaá erfahren.“ Und als wir uns noch immer nicht rührten, meinte er: „Vielleicht darf ich euch daran erinnern, dass es eure Idee war. Wenn ihr nicht mehr wollt, dann lasst uns zurückfahren. Falls nicht, dann gebe ich euch einen weisen, indianischen Rat: Was getan ist, ist getan .“
„Ich glaube, das gilt universell“, warf ich ein. Indianisch hörte sich das nämlich überhaupt nicht an. Mehr nach: Was du heute kannst besorgen…
Aber ich verstand, was Mateo meinte, und fasste mir endlich ein Herz. Nachdem ich einen Blick auf meine Brüder geworfen und Robert seinen roten Rucksack gereicht hatte, sagte ich: „Wir ziehen es durch.“
M ateo hatte nicht zu viel versprochen. Der Pfad war zwar schmal, aber nicht zu verfehlen. Unzählige Füße hatten ihn bereits platt getreten und das Nachwuchern kleiner, verschlungener Urwaldpflanzen verhindert. Man musste genau aufpassen wohin man trat. Oftmals ragten Wurzeln so plötzlich aus dem Boden heraus, dass sie ideale Stolperfallen für jeden Hans-guck-in-die-Luft waren. Niedrige Zweige schlugen einem unverfroren ins Gesicht, wenn man sich nicht rechtzeitig duckte. Trotzdem: gegen den Urwaldmarsch nach unserem Absturz eine Woche zuvor war dies der reinste Spaziergang! Nach etwa einem halben Kilometer senkte sich der Boden, und wir mussten im Zickzackkurs ein Gefälle von gut zwanzig Metern überwinden, bis wir schließlich ein leises Rauschen vernahmen: der Salto Sapo war nicht mehr weit! Kurz darauf sahen wir bereits die weiße Gischt durch die hinteren Baumreihen blitzen. Sie war uns Lockruf wie Warnung zugleich. Dennoch zögerten wir nicht eine Sekunde, sondern strebten weiter, mit klopfendem Herzen, angezogen wie Motten vom Licht. Die letzten paar Meter führten wieder bergauf. Der Wasserfall, breit, hoch und imposant war nun auf Augenhöhe. Noch ein paar Meter und der Pfad würde hinter dem tosenden Wasser verschwinden. Zu unserer Rechten ragte eine glatte Felswand in die Höhe. Links fiel eine Böschung mehrere Meter steil ab. Der Sprühregen der hinaufschäumenden Gischt benetzte uns Gesicht, Arme und Hände. Ich blieb stehen.
„Was ist los?“, fragte Robert, der direkt hinter mir war.
„Ich weiß nicht“, rief ich. „Es ist unheimlich, in einem Wasserfall zu verschwinden, oder? Wir wissen nicht, was uns dort erwartet.“
Oliver machte sich darüber keine Gedanken, er war ganz aus dem Häuschen angesichts der riesigen Felsen und seine Augen suchten bereits angestrengt nach einer Möglichkeit sie hinaufzuklettern. Nicht bis ganz nach oben, nur ein bisschen… Ich sah es ihm förmlich an, wie es ihm in den Händen kribbelte. In der Tat war er schon lange nicht mehr geklettert, was wohl oder übel Entzugserscheinungen bei ihm auslöste. Trotzdem war ich froh, dass die Wände so glatt und feucht waren, dass selbst Oliver es nicht wagte, sich mehr als einen halben Meter an ihnen hinaufzuziehen. Eine Sorge weniger. Ich richtete meinen Blick wieder auf den schmalen Weg, der sich in unmittelbarer Nähe hinter dem Wasserfall verkroch. Das herabstürzende Wasser schäumte und toste so wild, dass das Rauschen in ein einziges Dröhnen übergegangen war. Es war schwer, bei dem Lärm einen klaren Gedanken zu fassen.
Robert musste fast brüllen, um das gewaltige Donnern zu übertönen: „In dem Bericht in der Reisebroschüre wird ganz klar gesagt, dass man den Wasserfall unterqueren kann – sonst würde ja auch kein Pfad hindurchführen. Wenn es gefährlich wäre, würden sie keine Touristen dazu ermuntern. Um den Wasserfall mache ich mir keine Sorgen, eher darüber, wie wir die Höhle finden, von der Mateo gesprochen hat. Mel, wenn du noch länger hier stehen bleibst, dann können wir die Suche wohl vergessen.“
„Ja, ja. Du hast ja recht“, gab ich zu, und versuchte einen Schritt nach vorne zu wagen. Ein Blick in die Tiefe drückte mich jedoch erneut gegen die Felswand und ließ mich die Augen schließen. Robert betrachtete mich kritisch. „Hast du plötzlich doch Angst vor den Zauberkünsten der Makaá bekommen?“, fragte er.
Ich schüttelte heftig den
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