Der Fluch der Makaá
Armschlägen versuchte ich die Biester zu verscheuchen, doch sie waren so hartnäckig, dass ich nicht verhindern konnte, dass ihre kleinen, saugnapfartigen Händchen und Füßchen sich in meinen Haaren und Kleidern verfingen. Immer mehr Frösche verließen ihre Schlafstätte und gaben den dunklen Grund des Sees frei. Obwohl es mich erschauderte, von den kleinen, knöchernen Körpern umgeben zu sein, als schwebte ich in der Mitte einer rot schimmernden Gewitterwolke, versuchte ich, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: fieberhaft suchte ich die erleuchtete Umgebung nach etwas ab, das diesem Ort genauso fremd war wie ich. Doch außer dem kalten Fels und den roten Augen der Frösche konnte ich nichts erkennen, was mir im Entferntesten hätte weiterhelfen können. Ein dicker Frosch kam so plötzlich von der Seite angeschossen und krallte sich in mein Gesicht, dass ich vor Schreck den Mund aufriss. In feinen Schnüren perlte die kostbare Luft in Richtung Oberfläche. Wütend packte ich den Frosch an einem Bein und zerrte ihn von meiner Wange. Hektisch drehte ich den Kopf in alle Richtungen. Die Zeit lief nun in der Tat gegen mich. Meine Lungen schmerzten und es war fast unmöglich, dem Impuls des Einatmens zu widerstehen. Das Rot der Froschaugen büßte an Klarheit ein. Zuerst dachte ich, es lag an den Fröschen selbst, doch erst, als das Licht vor meinen Augen verschwamm, erkannte ich, dass ich dabei war, das Bewusstsein zu verlieren. Wie im Nebel nahm ich wahr, dass die Frösche von mir abließen, und sich dem Boden zuwendeten. Der Schein ihrer Augen erhellte den Grund des Sees für einen kurzen Augenblick, und irgendwo im Halbdunkel zwischen Wachen und Dämmern erblickte ich etwas. Ohne lange darüber nachzudenken, schnellte ich mit Mühe und Not nach vorne, griff mit der linken Hand aufs Geratewohl in den Froschberg, bekam etwas Kleines zu fassen, und stieß mich mit letzter Kraft vom Boden ab.
Als ich die Oberfläche des Wassers durchbrach und die Luft in meine Lungen einströmen ließ, erfüllte mich ein so tiefes Gefühl von Ehrfurcht vor dem Leben und endloser Dankbarkeit, wie es nur jemand nachvollziehen kann, der kurz davor gewesen war, nie wieder etwas zu empfinden. Mit zwei Schwimmzügen war ich am Ufer, wo sich mir die hilfreichen Arme meiner Brüder entgegenstreckten. Prustend und vollkommen erschöpft ließ ich mich von ihnen auf die Felsen ziehen. Wie eine Flut strömten die Fragen meiner Brüder auf mich ein, doch ich brauchte eine Weile, um zu mir zu kommen, bevor ich erklären konnte, was unter Wasser passiert war. Wie sie mir berichteten, hatten sie weder etwas von den Fröschen noch von dem roten Licht ihrer Augen mitbekommen. „Nachdem du untergetaucht warst, war das Wasser wieder so ruhig wie zuvor. Keine Welle. Rein gar nichts. Es war, als hätte es dich verschluckt! Wir hatten richtig Angst um dich“, sagte Robert leise.
„Wie lange war ich denn unten?“
„Bestimmt über eine Minute“, verkündete Oliver schwer beeindruckt. Ich schmunzelte. Es war unvorstellbar, dass das alles nur eine Minute gedauert haben sollte. Ich konnte mich an keinen Moment in meinem Leben erinnern, der länger gedauert hatte als diese 60 Sekunden. Aber nun war es ja vorbei. Erleichtert rappelte ich mich vom Boden auf. „Dann lass uns mal sehen, wie wir aus dieser Höhle wieder herauskommen“, sagte ich. „Ja, hast du denn etwas gefunden?“, fragten Robert und Oliver gleichzeitig. Die Neugierde stand ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Mit einem geheimnisvollen Lächeln öffnete ich meine linke Hand. Ein flacher, rötlicher Stein lag darin. Oliver runzelte die Stirn. „Das – ist – also… Mel, bist du dir sicher?“ „Du stellst Fragen! Wie soll ich mir sicher sein? Es war das einzige, was es dort unten überhaupt gab außer den Fröschen! Und es war weiß Gott nicht leicht, es unter den vielen roten Augen auszumachen, sieht es doch selber aus wie eins.“ Ich klopfte Oliver zuversichtlich auf die Schultern. „Hoffen wir mal das Beste, und jetzt: Raus hier!“ Der Befehl kam keinen Moment zu früh, denn als hätte die Taschenlampe selbst unter der Aufregung gelitten, flackerte ihr Licht nun gefährlich und drohte beinahe ganz auszugehen. Im Eiltempo ließen wir den See und das, was er in seinen Tiefen verbarg, hinter uns und eilten den schmalen Korridor entlang, durch den wir zuvor gekommen waren. Zu unserer großen Überraschung lag der Eingang offen vor uns. Im selben Moment, in dem wir ins
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