Der Fluch der Maorifrau
aus dem Staunen nicht mehr herauskam, als sie ihre Enkelin in Partykleidung sah. Emma trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid mit Schlitz und langen Handschuhen. Sie hatte sich das Haar hochgesteckt; ein Diadem aus Strass funkelte auf ihrem Kopf sowie Strass-Schmuck an ihrem Hals. »Bezaubernd!«, rief sie aus. »Nur auf den Schlitz hätte ich verzichtet.«
Emma lächelte selig. Sie hatte sich an Audrey Hepburns Robe und Accessoires in Frühstück bei Tiffany orientiert und nicht einmal auf die Zigarettenspitze verzichtet. Kate mag es zwar nicht, wenn ich rauche, aber nun kann sie nichts mehr dagegen einwenden. Ich bin volljährig, dachte sie stolz.
Kate hatte eine Firma beauftragt, Getränke und Speisen zu liefern, und so sah der Salon aus wie der Saal eines Restaurants. Sogar eine Band hatte sie ihrer Enkelin spendiert, die Emma allerdings selbst ausgesucht hatte. Ihre Großmutter hätte womöglich ein Streichorchester für klassische Musik gebucht. Emma hatte sich jedoch für eine Tanzband entschieden.
Voller Vorfreude durchschritt Emma den Salon, bevor die Gäste eintrafen. Frank war der erste. Kate begrüßte ihn herzlich und zwinkerte Emma zu, die den jungen Mediziner hingegen nur flüchtig willkommen hieß. Er ist schon ein hübscher Junge, ging es ihr durch den Kopf, während sie hastig zur Tür eilte, weil es erneut läutete. Sie hoffte insgeheim immer noch, dass Harry auftauchen würde.
Die Party war bereits in vollem Gange, das Buffet eröffnet, die Tanzfläche voller junger, wilder Tänzer, als es noch einmal klingelte. Emma tanzte gerade mit Frank und war froh über diese Unterbrechung, denn es war ein langsames Lied und der junge Mediziner hatte sich so eng an sie herangedrängt, dass keine Briefmarke mehr zwischen sie beide passen würde.
Verschwitzt, wie sie war, hetzte sie zur Tür, doch Kate war ihr zuvorgekommen. »Sie wünschen?«, fragte sie den Mann in dem eleganten Abendanzug kühl, bevor sie entschuldigend lächelte. »Ach, dumme Frage! Sie sind sicherlich einer ihrer Vorgesetzten von der Otago Daily Times. Kommen Sie herein!«
Harry schaute ihre Großmutter prüfend an. »Nein, ich bin eine Zufallsbekanntschaft Ihrer Enkelin. Sie war so freundlich, mich einzuladen«, antwortete er höflich, aber recht unterkühlt.
Ohne Kates pikierten Gesichtsausdruck zu beachten, stürzte Emma mit hochroten Wangen herbei und versicherte Harry, dass sie sich freue, ihn zu sehen. Sie bat ihn herein und versorgte ihn mit einem Drink.
»Was führt Sie nach Dunedin, Harry?«
»Ich bin Arzt und würde mich gern hier niederlassen.«
Emma sog die Informationen gierig auf und konnte gar nicht genug davon bekommen, seiner sonoren Stimme zu lauschen. Überhaupt löste der Anblick dieses Mannes ein Kribbeln in ihr aus, das sie noch niemals zuvor in der Gegenwart eines Verehrers empfunden hatte.
Emma hatte nur noch Augen für Harry. Nur eines störte sie. Warum fordert er mich nicht zum Tanzen auf?, fragte sie sich. Er scheint lieber an seiner Pfeife zu ziehen, als mir ein wenig näherzukommen. Der Gedanke behagte ihr gar nicht, und doch wuchs mit der Unnahbarkeit dieses Mannes ihr Verlangen, ihn zu küssen.
Als Kate ihr hinter Harrys Rücken bedeutete, sie möge ihr bitte in die Küche folgen, entschuldigte Emma sich bei ihm und eilte zu ihrer Großmutter. Kate wirkte verärgert, und Emma ahnte den Grund.
»Weißt du eigentlich, dass du dich unhöflich deinen Gästen gegenüber benimmst?«, ermahnte sie ihre Enkelin mit vorwurfsvoller Miene.
»Du magst Harry nicht, oder?«, konterte Emma beleidigt.
»Wenigstens hat er jetzt einen Namen. Aber, wenn du es genau wissen willst, nein, er ist mir unsympathisch. Auch wenn er ausgesprochen stilvoll gekleidet ist, kommt er mir wie ein Lackaffe vor, wenn ich das mal so unverblümt ausdrücken darf, aber das nur nebenbei. Was mich wirklich ärgert, ist, dass du seinetwegen die anderen Gäste vernachlässigst. Würdest du das mir zuliebe bitte ändern!«
»Ich weiß doch genau, dass es dir nur um Frank geht. Hat er sich bei dir beschwert, dass ich ihm eben einen Korb gegeben habe, weil ich mit Harry in ein Gespräch vertieft war?« Emmas Stimme klang trotzig.
»Nein, hat er nicht, aber schließlich ist er nicht dein einziger Gast. Du hast ja weder für deine Freundinnen noch für deine Kollegen von der Zeitung ein Ohr. Ich wünsche, dass du für den Rest des Abends eine gute Gastgeberin sein wirst, die sich nicht in einer dunklen Ecke nur einem einzigen, noch dazu
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