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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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zustimmend. Was würde sonst aus dem kleinen Wurm? Kate nahm sich vor, ihre Schwiegertochter so oft wie möglich zu besuchen.
 
    »Wie soll die Kleine heißen?«, fragte Kate ihre Schwiegertochter am dritten Tag nach der Entbindung.
    Sie erhielt keine Antwort.
    »Nenn sie doch nach deiner Mutter: Emma!«, schlug Kate schließlich vor.
    Christine drehte sich gequält zu ihr um. »Na gut. Von mir aus.« Dann verfiel sie wieder in düsteres Schweigen. Aber wenigstens hatte die Kleine jetzt einen Namen.
 
    Während ihre Mutter auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weiterhin in ihrer Welt lebte, ohne das Kind wirklich wahrzunehmen, gedieh Emma prächtig. Christine lag Tag für Tag im abgedunkelten Schlafzimmer und starrte Löcher in die Decke. Sie rührte kaum Essen an und sprach nicht. Kate bemühte mehrere Ärzte, doch sie erhielt immer dieselbe Antwort. »Sie ist gemütskrank, da kann man nichts machen!«
    Da Christine sich inzwischen sogar weigerte, die kleine Emma zu stillen, versorgte Kate das Kind. Diese Beschäftigung lenkte sie aber nicht von ihren Sorgen ab. Beim Aufwachen galt stets ihr erster, beim Einschlafen ihr letzter Gedanke Bill John, von dem sie noch immer nichts gehört hatte, seit sie ihm von der Geburt seiner Tochter berichtet hatten. Mittlerweile war es Ende Mai. Aus Rücksicht auf Christines schwache Konstitution behielt sie ihre Ängste für sich, Ängste, die auch ihre Träume beherrschten. Immer wieder wachte sie schweißgebadet auf, weil sie in der Nacht ihren Schwiegervater vor der Tür gesehen hatte. Jede Nacht stand er da mit irrem Blick und streckte ihr drohend den Brief mit der Todesnachricht entgegen, und es kostete sie viel Überwindung, dieses Gespenst zu vertreiben.
 
    Kate gab ihrer Enkeltochter, die bald sechs Wochen alt wurde, gerade die Flasche, als der Postbote einen Brief für Christine brachte. Mit pochendem Herzen starrte Kate auf den Umschlag. Sie scherte sich nicht darum, dass er nicht an sie gerichtet war, sondern legte ihn beiseite in der festen Absicht, ihn gleich zu öffnen. Sie musste sich zwingen, das Kind zu Ende zu füttern, denn ihr Innerstes wusste längst, was dieser Brief bedeutete. Zitternd legte sie Emma ins Bettchen. Die Kleine schien zu spüren, was in ihrer Großmutter vorging. Sie schrie so erbärmlich, wie Kate innerlich schrie. Kate griff nach dem Brief. Er war zunächst an eine falsche Adresse in England gegangen. Es hilft nicht zu warten, Kate!, dachte sie. Schon hatte sie den Umschlag aufgerissen. Bill John war bereits am fünfundzwanzigsten April bei einem Angriff der Deutschen auf Kreta ums Leben gekommen. Kate stieß einen markerschütternden Schrei aus. Ihre Hände zitterten so, dass der Umschlag zu Boden fiel. Briefe fielen daraus. Benommen bückte Kate sich danach. Die Briefe an Bill John stammten von Christine und ihr und waren ungeöffnet. Er hat nicht einmal erfahren, dass er Vater geworden ist!, dachte Kate, bevor der Schmerz ihr Herz erreichte und jeden Gedanken und alle Empfindungen verdunkelte.
    Viele Tage später, als sie wieder klar denken konnte, schwor Kate McDowell sich, nie wieder einen Pinsel anzurühren, denn das Leben in bunten Farben darzustellen wäre eine einzige Lüge.

 
3 . T EIL
 
E MMA
 
E tangi ana koe, Hine e Hine, E ngenge ana koe,
Hine e Hine.
Kati tö pouri rä, Noho i te aroha, Te ngäkau o te Matua,
Hine e Hine.
Plaintive all through the night,
Hine e Hine, weeping till morning light, Hine e Hine.
From my care why try to leap, there is love for you,
mothers arms their strength will keep,
Hine e Hine.
 
Neuseeländisches Schlaflied von Fannie Rose Howie,
Princess Te Rangi Pai 1907
 

 
Dunedin, im April 1962
 
    Es war reiner Zufall, dass Emma das Dokument fand. Sie hatte in Kates Schreibtisch nach einer Briefmarke gesucht und dabei eine Urkunde gefunden. Ihre Mutter Christine war gar nicht im Jahr nach ihrer Geburt gestorben, sondern erst fünf Jahre später.
    Sie zögerte nicht eine Sekunde, sondern betrat mit der Sterbeurkunde in der Hand den Salon und reichte sie Kate wortlos.
    Emmas Großmutter wurde aschfahl. »Ich wollte dich schützen«, sagte sie tonlos.
    »Wovor? Was gibt es für einen Grund, mir zu verschweigen, dass meine Mutter noch gelebt hat, als ich ein Kleinkind war?«
    Kate seufzte tief. »Deine Mutter ist nicht hier im Haus gestorben ...«
    »Wo denn?«, unterbrach Emma sie zornig.
    »In einer Nervenheilanstalt«, presste Kate hervor.
    »Ach, dann war es also gar nicht die

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