Der Fluch der Maorifrau
spontan zu ihrem Geburtstag eingeladen, ihm sogar Namen und Adresse genannt.
Daraufhin hatte er geantwortet: »So, so, Sie sind also Emma McLean.« Dann war er plötzlich verschwunden.
Nein, das konnte sie Kate nicht erzählen. Großmutter würde ihr nur Vorwürfe machen. Wie sie dazu komme, einen wildfremden Mann einzuladen? Außerdem hat sie andere Pläne für mich, dachte Emma belustigt, denn es war nicht zu übersehen, wie freundlich sie Frank behandelte, einen jungen Arzt aus ihrem Freundeskreis. Emma lächelte in sich hinein. Frank war lieb und nett und machte ihr vorsichtig Avancen, aber allein die Vorstellung, mit ihm zu leben, langweilte Emma. Der Unbekannte hingegen besaß eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die Emmas Interesse geweckt hatte.
Emma vertiefte sich in ihre Zeitung, um sich nicht in Schwärmerei zu verlieren. Dabei wippte ihr Pferdeschwanz keck in der Luft. Als Huntis Gebell ertönte, gab sie vor, es nicht zu hören.
Doch da mahnte Kate bereits: »Emma, der Hund muss raus! Du bist für das Tier verantwortlich. Du hast es gewollt.«
Das sagte sie jedes Mal, wenn Emma sich vor dem Hundausführen drücken wollte. Dabei liebte Kate das arme Tier ebenfalls. Emma musste plötzlich daran denken, wie sie den Hund vor dem sicheren Tod gerettet hatten. Draußen in Opoho, zum siebzigsten Geburtstag ihrer schrecklichen Großtante Jane. Niemals zuvor waren sie dort eingeladen gewesen, aber zu dem Fest war Janes Schwester eigens aus Edinburgh angereist und hatte ein paar Wochen in der Princes Street übernachtet. Die nette Tante Nora! Ohne sie wären Kate und Emma der Einladung niemals gefolgt. Ihre Großmutter hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Farm in Opoho samt ihren Bewohnern partout nicht ausstehen konnte. Und seit diesem Geburtstag gehörte Hunti zur Familie. Es war eine Rettung in allerletzter Sekunde gewesen. Und nur, weil Emma, Kate und Tante Nora einen Spaziergang über die grünen Hügel und Wiesen gemacht hatten, um dem Familienfest für einen Augenblick zu entfliehen. Plötzlich hatten sie es aus dem Stall erbärmlich jaulen hören, und Emma war sofort dorthin geeilt. Janes Mann in seinem Sonntagsanzug war gerade dabei, den zweiten Welpen eines Wurfes der Huntaway-Hündin mit einem Spaten zu erschlagen. Ein Junges lag schon mit zertrümmertem Schädel in seinem Blut. Emma hatte so schrill aufgeschrien, dass ihr Großonkel den Welpen vor Schreck losgelassen hatte. Sie hatte sich das zitternde Bündel gegriffen und den verdatterten Onkel angebrüllt, er solle es ja nicht wagen, diesem Tier etwas zuleide zu tun.
»Wir haben keine Abnehmer für die beiden«, hatte er gebrummelt.
»Wir nehmen ihn mit!«, hatte Emma mit einem prüfenden Blick auf Kate erklärt.
Die hatte nur schwach genickt.
Schon auf der Rückfahrt in Kates altmodischem Humber Pullmann, der noch aus den Vierzigern stammte, war das kleine Tier getauft worden. »Nennt ihn ›Hunt‹, weil er doch ein Huntaway ist«, hatte Tante Nora vorgeschlagen.
Stöhnend erhob sich Emma. Die Erinnerung an Tante Nora, die kurz nach ihrer Rückkehr nach Edinburgh gestorben war, stimmte sie traurig. »Komm, du Stinktier!«, rief sie und ließ Hunti in den Garten.
Das konnte Kate gar nicht leiden, aber dank einer Schaufel würde Kate gar nicht merken, dass der Hund sein Geschäft in ihrem geliebten Garten verrichtet hatte. Während er noch herumschnüffelte, um einen geeignete Platz zu suchen, schweiften Emmas Gedanken wieder zu Harry ab. Er war eigentlich gar nicht ihr Typ. Sie stand auf James Dean. Harry aber hatte blondes Haar mit einem Rotstich. Er sah aus wie ein typischer Engländer. Auch seine Tweedkleidung war gar nicht nach ihrem Geschmack, aber sein intensiver, leicht überheblicher Blick hatte sie nachhaltig beeindruckt. Und wie er so lässig an seiner Pfeife gesogen hatte.
Emma schob die Erinnerung beiseite. Er wird bestimmt nicht zur Party kommen, und außerdem passt er sowieso nicht zu deinem Freundeskreis, sagte sie sich.
Emma traute ihren Augen nicht, als Kate sie am Morgen ihres Geburtstages weckte und bat, die Tür zu öffnen, als es klingelte. Dort stand ein Mann, drückte ihr einen Schlüssel in die Hand und zeigte auf einen kleinen Wagen.
Emma juchzte begeistert auf und rannte auf die Straße. Ein Mini-Cooper in ihren Farben! Rauchgrau mit weißem Dach. Endlich ein eigenes Auto! Sie fiel Kate um den Hals, die inzwischen alles von der Schwelle aus beobachtete.
Am Spätnachmittag war es dann Kate, die
Weitere Kostenlose Bücher