Der Fluch der Maorifrau
Kanzlei hat. Es ist -«
Das Klingeln von Sophies Handy unterbrach die Ausführungen der Anwältin. Es war Wilson, der sie jovial begrüßte. »Sorry, dass ich heute störe, aber ich arbeite sonntags gern. Mit einem Bierchen, dann muss ich nicht mit meiner Frau diese Sonntagsausflüge unternehmen. Seien Sie froh, dass ich so gute Beziehungen habe!« Seine Stimme klang verschwörerisch. »Ich halte hier gerade die illegale Kopie einer Akte in der Hand. Einer Adoptionsakte. Die Akte von einem gewissen Tom McLean. Und jetzt halten Sie sich fest! Der Knabe heißt mit richtigem Namen Thomas Holden und ist der Sohn eines Harry Steven Holden und einer -«
Weiter kam er nicht, weil Sophie wortlos auf den Kopf mit dem Auflegesymbol drückte. Sie hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Nein, das konnte und wollte sie nicht glauben!
Sophies Telefon klingelte erneut. Seufzend nahm sie das Gespräch an.
»Na, da sind Sie ja wieder!«
»Ja! Schlechter Empfang«, sagte sie heiser.
»Gut. Ich habe eine Adresse von dem Jungen in Wellington. Die schicke ich Ihnen zusammen mit meiner Rechnung zu, und damit ist mein Job erledigt.«
»Okay! Machen Sie das!«
»Sophie, was ist geschehen?«, hörte Sophie Judith wie durch eine Nebelwand besorgt fragen.
»Nichts. Gar nichts! Bitte sag mir lieber, was mir dir los ist.« Sophie zitterte am ganzen Körper.
»Und du bist sicher, dass du das jetzt wirklich hören willst?«
Sophie nickte.
»Ach, ich hatte doch am Freitag eine Scheidungsverhandlung. Den Fall habe ich gewonnen, aber der Ehemann meiner Mandantin rastet jetzt aus und macht mich für alles verantwortlich. Er hat mir sogar in der Kanzlei auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass ich es bedauern werde ...« Sie seufzte. »Normalerweise kann mich so eine Drohgebärde nicht schrecken. Ich hatte das schon öfter mal, aber ich glaube, ich bin im Moment zu dünnhäutig wegen der Sache mit Tom. Sophie, mach mir doch nichts vor! Wer war das eben am Telefon?«
»Der Detektiv«, gab Sophie zögernd zu.
»Und was hat er dir Schreckliches mitgeteilt? Du bist kreidebleich.«
»Es geht um Tom.«
»Was ist mit ihm? Ist etwas passiert? Geht es ihm gut?«
»Ich weiß jetzt, warum meine Mutter ihn zum Erben eingesetzt hat.«
Judith schaute sie entgeistert an.
»Er ist ihr Sohn!«, fuhr Sophie tonlos fort: »Tom ist mein Bruder!«
Dunedin, im Mai 1962
Völlig verstört blieb Emma noch eine Weile im strömenden Regen vor der Haustür stehen. Hatte sie den Antrag geträumt, oder hatte er ihn ihr wirklich gemacht? Dann erst ging sie hinein. Es roch nach frischem Kaffee. Kate stand schon erwartungsvoll in der Tür zum Salon.
»Wo ist er?«, fragte sie und fügte lauernd hinzu: »Oder hast du bereits begriffen, dass er nichts für dich ist?«
Diese Worte holten Emma aus ihrer Trance zurück in die Realität. »Das würde dich wohl freuen, was?«, fragte sie spitz.
»Ja, mir würde ein Stein vom Herzen fallen«, erwiderte die Großmutter scharf.
»Da muss ich dich enttäuschen. Ich werde ihn heiraten. Er will sich nicht wie ein Schoßhündchen vorführen lassen.«
Kate wankte mit offenem Mund zum nächsten Stuhl und ließ sich darauf fallen. »Du machst dich über mich lustig, oder?«
»Nein, er hat mir einen Antrag gemacht, und ich habe angenommen.«
»Oh nein!«, entfuhr es Kate.
»Vielleicht hat er recht damit, wenn er behauptet, du würdest gegen jeden Mann etwas haben, der mich dir wegnehmen könnte.«
»Das hat er gesagt?«, stöhnte Kate.
»Ja, er ist nämlich nicht nur Arzt, sondern hat auch Psychologie studiert. Er spürt, dass du ihn nicht leiden kannst!«
»Dazu muss man nicht studiert haben«, brummte Kate, doch dann bat sie mit sanfter Stimme: »Kind, bitte setz dich zu mir! Lass uns vernünftig über alles reden.«
Widerwillig tat sie, was die Großmutter von ihr verlangte.
»Emma, mein Kind, du weißt, dass du eine reiche Erbin bist, oder?«
Sie nickte unwirsch.
»Woher willst du wissen, dass dieser Harry es nicht auf dein Geld abgesehen hat? Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt?«
Emma rollte gereizt mit den Augen. »Bei einer Lesung im Theater. In der Pause stand er zufällig neben mir.«
Kate lächelte gequält: »Woher willst du denn wissen, dass es Zufall war?«
»Glaubst du, er hat das geplant? Du siehst Gespenster! Und weißt du, was ich langsam glaube? Harry hat recht. Du hast Angst, dass ein Mann mich dir wegnimmt.«
»Hat Harry auch einen Nachnamen?«
»Holden!«
»Und woher
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