Der Fluch der Maorifrau
Nach einem letzten Blick auf den Brandherd lief Sophie zurück zu ihrer Freundin. Die lag ermattet da und befühlte gerade ihren Hinterkopf.
»Sag mal, kannst du mal nachschauen, ob ich hier eine Beule habe? Es tut höllisch weh. Ich habe nicht schlafen können, und da hörte ich jemanden in mein Zimmer kommen. Ich dachte, du bist es, aber ehe ich mich umdrehen konnte, da ...«, Judith deutete auf ihren Hinterkopf.
Sophie erstarrte. Auf Judith' Kopf klaffte eine Platzwunde. »Jemand hat dir einen Schlag versetzt!«, rief sie erschüttert. »Ich muss die Polizei benachrichtigen!« In diesem Augenblick ertönte draußen eine Sirene. »Der Krankenwagen, endlich!«
»Ich will nicht ins Krankenhaus, auf keinen Fall!«
Sophie überhörte den Protest, lief dem Notarzt entgegen und führte ihn zu der Freundin.
Der junge Arzt untersuchte sie ruhig. »Ich werde Sie zur Beobachtung mitnehmen. Außerdem muss die Platzwunde genäht werden«, sagte er.
Sophie stützte Judith auf dem Weg zur Tür und half ihr in den Krankenwagen. Als die Wagentüren hinter Judith zuschlugen, sah Sophie einen jungen Mann, der in einen schwarzen Jeep sprang und davonraste. Sie spürte, wie ihr die Beine den Dienst versagten, aber der Notarzt konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen. »Vielleicht sollten Sie auch mitkommen. Sie sind ja leichenblass«, bemerkte er besorgt, doch Sophie erwiderte hastig: »Nein, ich habe nur zu niedrigen Blutdruck. Es geht schon wieder!«
Er bedachte sie mit einem forschenden Blick und ließ sie los, um sich auf den Beifahrersitz zu setzen.
Sophie klammerte sich an dem Verandapfosten fest. Regungslos stand sie da. Ihr war schummrig vor Augen, aber solange sie sich festhielt, würde sie nicht umkippen. Sie atmete ein paarmal tief durch und kehrte mit zitternden Knien ins Haus zurück.
Um ein Haar wären wir einem feigen Mordanschlag zum Opfer gefallen!, ging ihr durch den Kopf. Ihr wurde übel. Und wenn das dieser Tom gewesen ist? Ich habe schließlich seinen Wagen gesehen. Aber warum sollte er Judith etwas antun wollen? Wenn er etwas im Schilde führt, dann doch eher gegen mich. Sophie schnappte nach Luft. Ob er uns verwechselt hat? Fragen über Fragen wirbelten durch ihren Kopf.
In diesem Augenblick klingelte ein Handy. Sophie zuckte zusammen, doch dann sah sie Judiths Handy auf dem Tresen liegen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. Wer sollte jetzt noch bei Judith anrufen? Mit einem Satz war sie bei dem Telefon, doch es war zu spät. Der Anrufer hatte aufgegeben. Doch in diesem Augenblick erschien im Display die Nachricht, dass jemand angerufen und auf die Mailbox gesprochen hatte. Jemand mit einer unterdrückten Nummer.
Sophie wählte, ohne zu zögern, die Mailbox an und lauschte angespannt den gehetzt klingenden Worten eines Mannes: »Judith, Liebling, ich wollte nur wissen, ob dir auch nichts passiert ist. Ich mache mir solche Sorgen um dich. Ich konnte es nicht mehr verhindern. Bitte glaube mir! Ich melde mich morgen früh noch einmal.«
Bei aller Besorgnis hat seine Stimme einen angenehmen Klang, dachte Sophie, und doch fühlte sie sich in ihrem Verdacht bestätigt. Tom hatte die falsche Person erwischt, aber wie hatte er sie mit Judith verwechseln können? Sophie versuchte sich noch einmal vor Augen zu führen, wie sie Judith vorgefunden hatte. Tief in ihre Decke eingekuschelt ... Er hat vermutlich geglaubt, dass ich da im Bett liege.
Genug der Spekulationen!, entschied sie. Ich muss die Polizei informieren. Oder doch erst noch abwarten? Sie hatte noch keinen Entschluss gefasst, als sie bereits nach ihrem Handy griff und Johns Nummer wählen wollte, aber dann ließ sie es bleiben. Erst musste sie das Ende der Geschichte erfahren. Denn nur in dieser Geschichte würde sie erfahren, warum dieser Tom ihr etwas antun wollte. Denn dass er es auf sie abgesehen hatte, daran hegte Sophie keinen Zweifel mehr. Der Gedanke ließ sie erschaudern. Das Motiv würde sich ihr allein durch Emmas Aufzeichnungen erschließen. Sie musste sie zu Ende lesen. Noch heute Nacht!
Gleich morgen früh rufe ich John und die Polizei an, nahm sich Sophie fest vor. Einen kurzen Augenblick lang befürchtete sie, der Brandstifter würde zurückkehren, jetzt, wo er sie allein im Haus wusste, aber sie schob den Gedanken fort. Sie würde sich mit Lesen wach halten. Dann konnte er sie wenigstens nicht im Schlaf überraschen. Sophie stand noch einmal auf und schob die Kommode vor die Tür. Mit
Weitere Kostenlose Bücher