Der Fluch der Maorifrau
stammt er?«
»Er ist Engländer!«
»Sag mal, muss man dir alles aus der Nase ziehen? Aus was für einer Familie kommt er?«
Emma zuckte mit den Achseln. »Sein Vater ist Literaturprofessor in London. Harry will sich hier in Dunedin niederlassen.«
»Und wo wohnt er jetzt?«
»Ich kenne seine Adresse nicht!«, erklärte Emma unwirsch.
»Wie bitte? Du weißt nicht mal, wo er wohnt? Aber heiraten willst du ihn? Er möchte sich mir nicht vorstellen und redet dir dummes Zeug ein. Wie stellt der Herr sich das denn vor? Dass ihr heimlich aufs Standesamt geht? Kind, merkst du denn gar nichts? Da stimmt doch etwas nicht. Kein normaler Mann würde eine Einladung zum Kaffee ausschlagen, wenn er saubere Absichten hegt. Wann siehst du ihn wieder?«
»Verdammt, hör auf mich auszufragen!«, schrie Emma auf und rannte in ihr Zimmer.
Sie war so wütend, aber eigentlich nicht auf ihre Großmutter, sondern auf sich und vor allem auf Harry. Wie konnte man einer Frau einen Antrag machen und sich dann nicht einmal mit ihr verabreden? Kate hatte recht. Normal war das nicht! Emma heulte vor Wut und wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Harry verhielt sich merkwürdig, keine Frage. Trotzdem war sie Wachs in seinen Händen. Sie wollte ihn so sehr, dass es wehtat. Vielleicht war er zu aufgeregt und hat einfach vergessen, sich mit dir zu verabreden. Sobald ihm das auffällt, ruft er bestimmt an, tröstete Emma sich. Ich sollte in der Nähe des Telefons bleiben. Unter diesen Umständen ist es nicht besonders günstig, wenn Kate seinen Anruf entgegennimmt. Und vielleicht ist es gar nicht so falsch, was er über Großmutter sagt. Sie klammert manchmal sehr. Und was für Fragen sie eben gestellt hat!
Kaum hatte Emma den Gedanken zu Ende gedacht, eilte sie zurück in den Salon, wo sie fast mit ihrer Großmutter zusammenstieß. Plötzlich fiel ihr etwas ein, womit sie Kate den Wind aus den Segeln nehmen konnte.
»Weißt du, was Harry eben im Wagen gesagt hat?«, fragte sie beinahe triumphierend.
»Nein, aber du wirst es mir sicher erzählen«, erwiderte Kate mit einem leicht ironischen Unterton.
»Als ich ihm erzählte, du hättest Sorge, dass mich jemand nur wegen des Geldes heiratet, da hat er wörtlich gesagt: ›Es ist doch nicht so, als müsste man Ihnen wegen Ihres Geldes den Hof machen.‹ Glaubst du wirklich, ich bin so unattraktiv, dass ein Mann es zwangsläufig auf mein Erbe abgesehen haben muss?«
»Emma, rede keinen Unsinn! Du bist nicht nur schön und klug. Du bist auch noch charmant und offenherzig. Und du bist auf der Suche nach einer gefährlichen Romantik. Das sehe ich sehr wohl. Und ich sehe es mit Besorgnis. Ich habe große Angst, du könntest dich an den falschen Mann binden. Und dieser Harry, das sage ich jetzt zum letzten Mal, ist mit Vorsicht zu genießen! Im Übrigen erinnert er mich an jemanden, aber leider komme ich nicht darauf, an wen. Ich weiß nur, dass es keine besonders angenehme Erinnerung ist.«
»Hast du das öfter, dass du dich nicht mehr erinnerst?«, fragte Emma in scharfem Ton.
Kate sah ihre Enkelin beleidigt an. »Was soll das denn heißen?«
»Dass du nicht mehr die Jüngste bist!«, erwiderte Emma schroff, was sie aber bereits im selben Moment bereute.
Kate war bleich geworden und verließ eilig das Zimmer.
Emma wollte ihr gerade folgen, um sich zu entschuldigen, als das Telefon klingelte. Mit klopfendem Herzen griff sie nach dem Hörer. Eine männliche Stimme fragte nach ihrer Großmutter. Harry war es nicht! Enttäuscht rief Emma nach Kate.
Mit einem Ohr hörte sie ihre Großmutter »Mein Beileid!« murmeln, allerdings klang es wie eine Floskel. »Ach, sie standen in Briefkontakt miteinander? Ja, das wäre sehr freundlich, wenn du mir seine Briefe bündeln und schicken könntest. Danke!« Mit diesen Worten legte Kate auf und setzte sich auf das Sofa.
»Wer ist gestorben?«, fragte Emma.
»Tante Jane. Ihr Mann Fred hat gefragt, ob ich alte Briefe von meinem Stiefsohn haben möchte.«
»Ach Fred, der alte Tierquäler. Ehrlich gesagt, der bösen alten Frau weine ich keine Träne nach, aber was hat es mit diesem Stiefsohn auf sich? Von ihm hast du mir ja nie etwas erzählt«, sagte Emma vorwurfsvoll.
»Habe ich nicht?«, fragte Kate verunsichert.
»Nein, das höre ich heute zum ersten Mal. Erst verheimlichst du mir, dass meine Mutter noch gelebt hat. Jetzt hast du plötzlich noch einen Sohn!«
»Aber Emma, das war doch keine Absicht. Es gab doch gar keinen Anlass, über ihn zu
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