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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zu leben. Verstehst
du?«
    Nein, es lag nicht nur an
seinen Augen; das wurde Judy allmählich klar. Zwar, stellten sie die einzige
körperliche Veränderung an ihm dar, doch es hatte sich noch ein anderer Wandel
an ihm vollzogen. Es war sein Auftreten, seine ganze Haltung. Ruhig und
selbstsicher war dieser Mann, nicht derselbe nervöse, von Ängsten geplagte
Mensch, der ihr wenige Stunden zuvor gute Nacht gesagt hatte. Dieser Fremde mit
dem blonden Haar und den dunkelbraunen Augen wirkte völlig entspannt und
selbstbewußt. Er stand in lässiger Haltung vor ihr und sprach in einem Ton, der
einen völlig gelösten und von sich selbst überzeugten Mann verriet.
    »Ich weiß, daß es schwer für
dich sein muß«, hörte sie ihn sagen, »und daß du Zeit brauchen wirst, um dich
an mich zu gewöhnen. Bis jetzt hast du mich ja bloß für einen Geist gehalten.«
Er sprach diese Worte mit einem winzigen, kaum wahrnehmbaren Akzent. Deutsch?
Hebräisch?
    »Wird Ben
zurückkommen?« fragte sie im Flüsterton. »Er kann nicht zurückkommen, weil er
nie existierte. Weißt du, als ich Benjamin war, glaubte ich zuerst, David
verfolge mich. Dann dachte ich, er wolle von mir Besitz ergreifen. Doch diese
Annahmen waren falsch, denn ich war ja die ganze Zeit über David. Benjamin war
derjenige, den es nie gab.«
    Von einer plötzlichen
Übelkeit ergriffen, wandte Judy sich jäh von ihm ab und preßte ihre Hand auf
den Bauch. »Warum weist du mich zurück?« fragte er fast flehentlich. »Ich… ich
weise dich nicht zurück«, hörte sie sich selbst antworten. »Ich lehne es nur
ab, dir zu glauben.«
    »Aber du wirst es schon noch
tun. Siehst du, das erklärt so vieles. Letzte Nacht, als wir die Rolle lasen…«
Er ging lässig an ihr vorbei und nahm auf der Couch Platz. »Als wir gestern
nacht die Rolle lasen, da fiel mir auf, daß es an dem Abschnitt über Poppäa
Sabina etwas Merkwürdiges gab. Erinnerst du dich?«
    Da es ihr schwerfiel, laut zu
sprechen, flüsterte Judy nur: »Ich erinnere mich.«
    »Es gab daran
etwas, das ich nicht genau bestimmen konnte. Natürlich weiß ich jetzt, was es
war. Poppäa Sabina heißt doch meine Katze, und aufgrund dieses Erlebnisses kam
ich darauf, sie nach der Kaiserin zu nennen. Als ich die Katze vor zwei Jahren
kaufte, erinnerte sie mich an Neros Frau, die ich in ihrem Streitwagen an mir
hatte vorüberfahren sehen.«
    Judy kniff die Augen fest
zusammen. »Nein«, murmelte sie kaum hörbar.
    »Und als du
mir die Brille angeboten hast, brauchte ich sie nicht mehr, denn schon letzte
Nacht war ich nicht mehr Ben. Ich sah, wie sehr du dich über meinen Zustand beunruhigt
hast, aber es gab keinen Grund zur Besorgnis, liebe Judith, da es sich nur um
das letzte Stadium meiner Selbstwerdung handelte.«
    Sie schlug die Augen auf und
starrte ihn an, als wäre er ein Monster.
    »Bitte, komm und setze dich
zu mir.«
    »Nein.«
    »Bitte, halte
dich nicht von mir fern. Ich hatte nicht die Absicht, dich zu verletzen. Ich
dachte, du würdest dich freuen.« Als er traurig den Kopf schüttelte, tauchte im
Eingang zur Küche eine kleine schwarze Gestalt auf, die den Mann auf der Couch
mit mißtrauischem Blick und stark geweiteten Pupillen beäugte. Poppäa lief
vorsichtig ein paar Schritte in seine Richtung, doch als er sich vorbeugte, um
sie zu locken, machte sie einen Buckel und fauchte ihn an. Ben lachte nur
leise. »Das tut sie, weil ich jetzt ein Fremder für sie bin. Sie wird mich
schon noch kennenlernen, und dann werden wir Freunde sein.«
    Judy blickte die Katze
ungläubig an. Poppäas Fell war gesträubt, ihre Ohren lagen flach am Kopf an. Im
nächsten Augenblick schoß sie voller Angst in die Küche zurück, und man konnte
hören, wie sie sich in einem kleinen Winkel verkroch.
    »Sie wird es schon noch
lernen«, ließ sich Bens sanfte Stimme vernehmen. »Und auch du wirst dich daran
gewöhnen, liebste Judith.« Judy blickte ihn an und sah ein traurigsüßes Lächeln
auf seinem Gesicht. Seine ganze Haltung, sein ganzes Wesen schien um Vergebung
und Annahme zu bitten. Und als sie ihn so sah, fühlte Judy, wie ihr Herz ihm
entgegenschlug.
    »Ich fürchte mich vor dir«,
gestand sie schließlich. »Aber das mußt du doch nicht. Ich würde dir nie etwas
zuleide tun.«
    »Ich weiß nicht, was du bist.
Ich weiß nicht, wer du morgen oder selbst in der nächsten Stunde sein wirst.
Und das macht mir Angst.«
    »Aber es ist alles vorbei,
Judith, siehst du das nicht? Kein Identitätskampf und kein Bemühen

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