Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
der dunklen Wohnung. Draußen begann der Regen
gegen das Fenster zu trommeln.
    Judy wandte sich um und
schaute hinaus. Weitere krachende Donnerschläge. Ein Blitz. Und in dem kurzen
Augenblick der Helligkeit sah sie die Kuppel des Tempels und die starken Mauern
der Antonia-Festung.
    »Wo fällt der Regen?«
murmelte sie traurig. »Hier oder… oder dort?«
    Die Zeit verstrich, während
Judy wie versteinert am Fenster stand. Sie war versunken in einem Meer von
Fragen, auf die sie keine Antwort bekam. Es gab keine Lösungen zu den
Problemen, die in ihrem Geist aufgeworfen wurden, nur immer mehr Rätsel. Judy
hatte einen flüchtigen Eindruck von der Leere gewonnen, die ihr Leben
bestimmte. Jetzt überlegte sie sich, was sie wohl veranlaßt haben mochte, zu
dieser unmöglichen Stunde plötzlich ihr ganzes Dasein in Frage zu stellen.
    Und wieso konnte sie mit
einem Mal Dinge sehen, die sie sich nie zuvor ausgemalt hatte? Stand sie
ebenfalls kurz davor, sich angesichts der Macht, die der Geist David Ben Jonas
ausübte, geschlagen zu geben? Kurz vor Tagesanbruch wurde Judy aus ihren
Gedanken gerissen. Während dieser ruhigen Stunde vor Sonnenaufgang, da ein
leichter Regen fiel und sie fühlte, daß sie den Antworten allmählich näher kam,
geschah etwas, das sie vor Schrecken erstarren ließ. Sie hörte keinen Laut und
kein Geräusch und bemerkte auch sonst kein äußeres Anzeichen. Es schien ganz
einfach, als ob die Dunkelheit sich um sie herum bewegte. Die Luft hatte sich
verändert, und sie spürte, daß irgend etwas anders war. Eine unheimliche
Vorahnung ließ sie herumfahren.
    Die Schlafzimmertür war
offen, und Ben stand dort, bewegungslos und stumm.
    Ein eisiges Frösteln
durchfuhr Judys Körper, und sie begann unwillkürlich zu schlottern.
    Ihre Augen waren weit aufgerissen,
ihr Mund leicht geöffnet. Plötzlich überkam sie sonderbare Angst. Irgend etwas
war geschehen. »Ben…«, flüsterte sie.
    Er kam ein paar Schritte auf
sie zu, langte dann hinunter und schaltete das Licht ein.
    In diesem Augenblick wurde
Judy der Grund für ihre Angst bewußt. Und als sie seine Augen sah, schrie sie
auf. Sie schrie sehr lange.

 
    Kapitel Sechzehn
     
     
     
    Die Veränderung fiel Judy
sofort auf. Bens Augen waren nicht mehr blaßblau, sondern dunkelbraun.
    Er stand vor ihr und blickte
mit einem Lächeln auf den Lippen fast mitleidvoll auf sie herab. »Judith…«,
sagte er mit einer unwiderstehlich weichen Stimme.
    Als er sich ihr einen Schritt
näherte, wich sie zurück. »Warum fürchtest du dich vor mir, Judith?«
    »Ich…« Sie suchte krampfhaft
nach einer Antwort. Doch es gab keine. Sie konnte nur verwundert den Kopf
schütteln und ihr Herz klopfen hören. Ihre Kehle war vom Schreien heiser
geworden. Und nun folgte auf den Schock tiefe Bestürzung.
    »Wie kannst du dich nach so
langer Zeit noch vor mir fürchten?« fragte er sanft. »Judith…« Ben streckte
beide Hände nach ihr aus, und Judy schreckte erneut zurück. »Weißt du denn
nicht, wer ich bin?«
    »Wer… bist du?«
    »Ich bin David«, erklärte er
mit einem beteuernden Lächeln. »Nein!« schrie Judy und schüttelte heftig den
Kopf. »Sag das nicht!«
    »Aber es ist wahr.«
    »Und wo ist Ben?«
    »Ben? Ach so, der hat niemals
existiert. Es hat nie einen Benjamin Messer gegeben…«
    »O Gott«, wimmerte Judy.
Tränen schossen ihr in die Augen und ließen ihn vor ihr verschwimmen. »Ich
will, daß Ben zurückkommt. O Gott, was ist nur geschehen?«
    Bens Gesichtsausdruck änderte
sich und verriet nunmehr Besorgnis. »Bitte, es ist doch nicht meine Absicht,
dich zu erschrecken. Weiche nicht vor mir zurück, Judith. Ich brauche dich.«
    »O Ben«, entfuhr es ihr. Als
ihre Tränen zu fließen begannen, unterdrückte sie ein Schluchzen. »Was… was ist
mit deinen Augen passiert?«
    Er zögerte einen Augenblick
und überlegte. Dann meinte er lächelnd: »Es ist interessant, nicht wahr, daß
sie jetzt eine andere Farbe haben? Ich kann es dir nicht erklären, doch ich
nehme an, daß dieser Veränderung eine große Bedeutung zukommt.«
    Judy starrte den Mann vor
sich verstört an, während sie jede Sekunde erwartete, aus diesem Alptraum zu
erwachen.
    Er fuhr fort: »Es hat nie
einen Benjamin Messer gegeben, weil ich schon immer David Ben Jona war. Ich
habe über so viele Jahre hinweg geschlummert. Erst die Schriftrollen haben in
mir mein eigenes Ich zum Bewußtsein erweckt und mich daran erinnert, wer ich
wirklich war. Und jetzt bin ich zurückgekommen, um wieder

Weitere Kostenlose Bücher