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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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vertieft.
    Ben setzte die Tassen
zusammen mit Löffeln, Kaffeesahne und Zucker auf der Glasplatte des
Kaffeetischchens ab.
    Nein, dachte er betrübt, wir sind
nicht diejenigen, die dies lesen sollten, sondern dein Sohn, wer immer er war
und was auch immer mit ihm geschehen ist…
    »Ich vermute, meine
Handschrift ist ziemlich schlecht«, hörte er sich selbst sagen. »Es geht
schon.«
    »Ich wünschte, ich könnte
Schreibmaschine schreiben. Ich habe es nie gelernt. Ich weiß nicht, wie ich
John Weatherby das alles schicken soll.«
    »Ich würde es gern für Sie
tippen, Dr. Messer. Es wäre mir wirklich eine Freude.«
    Er sah den Stolz in ihren
tiefbraunen Augen, ihre Unbefangenheit und Aufrichtigkeit und schenkte ihr ein
Lächeln. Anders als ihre zufällige Begegnung am Nachmittag war dieses
Zusammensein mit Judy Golden recht angenehm. Ben stellte überrascht fest, daß
er mit ihr offen über die Schriftrollen sprechen konnte. »Und bedenken Sie den
Zeitraum«, fing sie an, »zwischen vierunddreißig und siebzig nach unserer
Zeitrechnung! Über was für einen wichtigen historischen Fund Dr. Weatherby da
gestolpert ist! Was wohl in den übrigen Rollen noch stehen mag?« Sie schaute
auf das Gekritzel auf Bens Notizblätter. »Aber ich frage mich…«
    »Was?«
    »Ich frage mich, wie er
wissen konnte, daß er sterben würde. Ich meine, er scheint ja nicht im
Gefängnis zu sein. Ich frage mich, ob er krank ist. Oder glauben Sie…« Sie
blickte zu ihm auf. »Könnte er Selbstmord geplant haben?«
    Ben schloß seine Augen. O
David, war dein Verbrechen so schlimm?
    »Dies hier ist interessant.
Ich möchte wissen, was es heißt.« Er schlug die Augen auf. Sie deutete auf die
untere Hälfte der Seite.
    »›… unser Herr an den Toren Jerusalems…‹«
    »Und hier: ›du wirst das
Antlitz deines Vaters erblicken‹…Dr. Messer, ist es anzunehmen, daß David auf
den Messias wartete?«
    »Schon möglich.« Ben warf
einen Blick auf seine Handschrift. »Hätte er vielleicht sogar ein…«
    »Sprechen Sie es nicht aus.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es kitschig ist.«
    »Warum wäre es kitschig, wenn
David ein Christ gewesen wäre?«
    »Weil die Chancen dafür
einfach zu niedrig sind. Sie wissen doch selbst, daß das erste Jahrhundert von
aufkeimenden neuen Religionen und den sonderbarsten Sekten nur so wimmelte.
Jesus war zu jener Zeit nicht der einzige, der eine fanatische Jüngerschaft an
sich zog. Nur weil er heute von Millionen verehrt wird, heißt das noch lange
nicht, daß es damals genauso war.«
    »Aber immerhin war David ein
Jude, der in Jerusalem lebte.«
    »In einer Stadt mit einigen
hunderttausend Einwohnern gab es zu dieser Zeit mindestens hundert Sekten. Die
Chancen, einen Rechabiten, einen Essener oder einen Zeloten vor sich zu haben,
sind genauso groß, wenn nicht größer.«
    Judy zuckte die Schulter und
las weiter. »Hier ist eine Übereinstimmung. Er ist ein Mitglied aus dem Stamm
Benjamins.«
    »So?«
    Judy hob den Kopf. »Sind Sie
nicht ebenfalls Benjaminit?«
    »Ich denke nicht, daß meine
Familie je wußte, welchem Stamm sie angehörte. Ich glaube, der Vorname Benjamin
stammt von einem Onkel, nach dem ich benannt wurde.«
    Sie saßen noch eine Weile
schweigend da und nippten an ihrem Kaffee, bis Judy schließlich mit einem Blick
auf ihre Armbanduhr sagte: »Ich sollte jetzt besser gehen, Dr. Messer.«
    Sie erhoben sich und standen
sich ein wenig verlegen gegenüber, obgleich keiner von beiden wußte, warum. Ben
schaute auf Judy herab und hatte das Gefühl, ihr in dieser Stunde ganz nah
gewesen zu sein, ihr sehr persönliche Dinge gezeigt und etwas mit ihr geteilt
zu haben, das er mit niemand anderem teilen konnte. Und der Gedanke daran ließ
plötzlich etwas Unbehagen in ihm aufkommen. Als sie zur Tür gingen, sagte sie:
»Lassen Sie es mich wissen, falls ich die Tipparbeit für Sie übernehmen soll.«
    »Ich werde es nicht
vergessen.«
    Als er die Tür aufmachte,
blieb sie nochmals stehen und blickte mit einem schwachen Lächeln zu ihm auf.
»Werden Sie es mir sagen, wenn Sie eine neue Rolle aus Israel bekommen?«
    »Natürlich. Sofort, wenn ich
sie erhalte.«
    Mit diesem Versprechen gingen
sie auseinander. Ben schloß hinter ihr die Tür, während er ihre Fußtritte unten
im Flur verklingen hörte.
    Spontan beschloß er, zu Angie
zu gehen und dort die Nacht zu verbringen. Schließlich gab es an diesem Abend
ohnehin nichts mehr zu tun, und die Wohnung kam ihm jetzt irgendwie kalt und
leer vor. Ben stellte

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