Der Fluch der Sphinx
buchstäblich nicht locker; er hatte sich nun an die Rahmen der hinteren Türen gekrallt. Erica konnte ihn noch im Rückspiegel sehen, also fuhr sie absichtlich aufs Bankett der Straße, und durch Schlaglöcher, die den Wagen gräßlich durchschüttelten. Die Beifahrertür sprang auf. Die roten Würfel lösten sich vom Armaturenbrett.
Raoul lag auf dem Kofferraum, die Arme über der Heckscheibe ausgebreitet, jede Hand an einen Türrahmen geklammert; er hatte Glück, denn die beiden hinteren Seitenscheiben fehlten. Bei jedem Stoß, den ein Schlagloch dem Auto versetzte, prallte er mit Rumpf und Kopf aufs Heck des Wagens. Aber er war fest dazu entschlossen, bei Erica zu bleiben. Er nahm an, sie hätte vollkommen durchgedreht.
An der Abzweigung zu Achmeds Haus erhellten die Scheinwerfer eine Mauer aus Lehmziegeln neben der Straße. Erica bremste scharf und haute brutal den Rückwärtsgang ein. Der plötzliche Ruck warf Raoul bis aufs Autodach. Er griff umher, suchte einen Halt, und seine Linke umfaßte den Türrahmen neben Ericas Kopf.
Erica gab Gas, und das Auto holperte heftig, ehe es mit dem Heck gegen die Mauer rammte. Der Anprall warf Ericas Kopf mit Wucht zurück. Die rechte Vordertür schwang bis zum Anschlag auf, flog beinahe aus den Angeln. Doch Raoul hielt sich noch immer fest.
Erica schaltete wieder in den ersten Gang, und der Wagen sauste erneut vorwärts. Die plötzliche Beschleunigung schlug die rechte Vordertür zu und auf Raouls Hand.
Er schrie vor Schmerz auf und riß die Hand reflexartig heraus. Im selben Moment rollte der Wagen gegen den Asphaltrand der Straße, und durch den Stoß wurde Raoul in den Sand an der Straße geworfen. Nahezu noch in derselben Sekunde, in welcher er aufschlug, kam er wieder auf die Beine. Er hielt sich die Hand, die stark schmerzte, und lief Erica nach, bis er sah, daß sie an einem flachen Haus aus weiß getünchten Lehmziegeln vorfuhr. Er blieb stehen, als Erica aus dem Wagen zur Haustür stürmte. Nachdem er sich genau gemerkt hatte, wo er sich befand, machte er kehrt und trat den Rückweg an, um Yvon zu benachrichtigen.
Erica befürchtete, Raoul könnte dicht hinter ihr sein, als sie Achmeds Haustür erreichte. Sie war unverschlossen, und sie polterte rücksichtslos hinein, ließ die Tür offen. Sie mußte Achmed schnellstmöglich von den Machenschaften in Kenntnis setzen und ihn davon überzeugen, daß man jetzt Polizei einsetzen mußte.
Sie lief direkt ins Wohnzimmer und war überglücklich, Achmed noch wach anzutreffen, im Gespräch mit einem Bekannten. »Ich werde verfolgt«, rief Erica.
Achmed sprang auf und stand wie versteinert, als er sie erkannte.
»Schnell«, keuchte sie. »Wir benötigen Hilfe.«
Achmed überwand seine Fassungslosigkeit so weit, daß er an ihr vorbei zur offenen Haustür eilen konnte. Erica wandte sich an Achmeds Gast, um ihn zu bitten, er möge die Polizei verständigen. Sie öffnete den Mund, aber dann blieb ihr vor Staunen und Entsetzen das Wort im Halse stecken. Achmed kam zurück und schloß hinter sich die Tür; er trat rasch zu Erica und nahm sie in seine Arme. »Es ist alles in Ordnung, Erica«, beruhigte er sie. »Alles ist in Ordnung, Sie sind in Sicherheit. Lassen Sie sich anschauen. Ich kann’s kaum glauben. Das ist wahrhaftig das reinste Wunder.«
Aber Erica reagierte nicht, sie reckte nur den Hals, um über Achmeds Schulter hinweg den anderen Mann anzustarren. Ihr Blut schien zu gerinnen. Es war Mohammed Abdulal! Nun würde nicht nur sie, sondern auch Achmed sterben müssen. Sie merkte, daß Mohammed ebenso verblüfft war wie sie, aber er nahm sich zusammen und sprudelte einen unmißverständlich zornigen arabischen Wortschwall hervor.
Anfangs achtete Achmed nicht weiter auf das Gezeter Mohammeds. Er fragte Erica, wer sie verfolgt habe, aber ehe Erica antworten konnte, fuhr Mohammed wieder dazwischen. Darüber verlor Achmed so die Nerven, daß er einen ähnlichen Wutanfall bekam wie seinerzeit, als erdie Teetasse zerschmetterte. Sein Blick verfinsterte sich, er wirbelte herum, wandte sich Mohammed zu. Er sprach arabisch, zuerst nur langsam und bedrohlich, aber nach und nach steigerten sich Lautstärke und Tonhöhe, bis er mit voller Stimmgewalt brüllte.
Erica schaute zwischen den beiden Männern hin und her, rechnete jeden Moment damit, daß Mohammed eine Waffe zog. Zu ihrer Erleichterung sah sie, daß er statt dessen immer kleinlauter wurde. Anscheinend duldete er es, daß Achmed ihm Befehle erteilte, denn als
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