Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
dann …«
Oben auf der Festungsanlage der Burg stand neben Thomassia, die den Grafen von Caronne auf dem Arm trug, Rankin und spielte ein jammerndes Klagelied auf seinem Dudelsack, während die kleine Reisegesellschaft wie ein Träne über die Wange eines Riesen den Berg hinunterzog.
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Teil drei
Kapitel zwölf
»Was ist?«
»Da ist ein Licht draußen auf dem Meer. Es blinkt.«
Adelia stieg aus dem Bett und trat zu Fabrisse an den schmalen Fensterspalt des oberen Zimmers im Bergfried des Château de Salses, durch den man aufs Mittelmeer hinaussah. »Muss ein Schiff sein«, sagte sie.
»Natürlich ist es ein Schiff«, antwortete Fabrisse. »Die Frage ist nur, wessen Schiff.«
Es konnte O’Donnell sein, der bis jetzt noch nicht eingetroffen war. Es konnten aber auch friedliche Schmuggler sein oder eine weniger friedliche Macht, die ins Land des Grafen von Toulouse eindringen wollte. Oder es waren Piraten, die nur aufs Plündern und Vergewaltigen aus waren.
Für die letzten beiden Möglichkeiten war das Château de Salses nicht gerüstet. Letztlich, dachte Adelia, hätte es nicht einmal ein paar entschlossenen Schneckensammlern genug entgegenzusetzen.
Das Château de Salses, ursprünglich eine Festung, war in noch schlimmerem Zustand als die Burg von Caronne. Aus der Ferne war es wunderschön, das musste Adelia eingestehen. Als sie und die anderen die Berge heruntergeritten gekommen waren, hatte es vor dem kühlblauen Wasser, das gegen seine dem Meer zugewandte Mauer klatschte, wie ein riesiger rosafarbener, mit Zinnen versehener Kuchen ausgesehen.
Als sie näher kamen, sahen sie allerdings, dass die staubrosa Verteidigungsmauern langsam in den Burggraben bröckelten, die Brücke hing gefährlich durch, und den mit Unkraut überwucherten Hof umgaben ein Bergfried mit einer unsicheren Wendeltreppe sowie ein paar strohgedeckte Ställe und Werkstätten.
»Ich kann mir den Unterhalt nicht leisten«, verkündete Fabrisse fröhlich, was sie nicht ausdrücklich hätte sagen müssen, »obwohl mir das Château den Großteil meiner Einnahmen verschafft. Wir sind hier nahe an der spanischen Grenze, und dennoch abgelegen, was heißt, dass es gut zur Schmugglerei taugt, wenn auch nicht gut genug.« Aber offenbar hatte sie das Gefühl, dem Château damit nicht ganz gerecht geworden zu sein, und so fügte sie gleich noch hinzu: »Irgendwann vor Christi Geburt ist Hannibal mit seiner Armee hier durchgekommen, auf dem Weg nach Italien.«
Vielleicht hatten es ein paar seiner Elefanten tatsächlich bis ins Château geschafft, dachte Adelia. Viel wieder aufgebaut worden war seitdem nicht.
»Das sind Signale«, sagte sie jetzt und verfolgte, wie das Licht in unregelmäßigen Abständen aufleuchtete und wieder verschwand.
»Die Frage ist, für wen?« Man konnte nie wissen, wer auf den einsamen Anhöhen hinter ihnen lauerte.
Sie ließen Boggart schlafend zurück, zündeten eine Fackel an und stiegen vorsichtig die kaputten Stufen meidend hinunter in den Hof.
Deniz, der Wache gehalten hatte, stand mit Johann auf der dem Meer zugewandten Mauer. Die beiden unterhielten sich murmelnd.
Und das muss auch noch gesagt werden: Adelia hatte im Château de Salses keine Spur von dem Ritter entdecken können, dessen Kriegsdienste dem Grafen Raymond von Toulouse, wenn er danach verlangte, als Preis für das Lehen zur Verfügung stehen würden. (So wie sie Fabrisse kannte, hatte die ihre eigene Art, dem Grafen sein Lehen zu bezahlen.) Was es jedoch gab, waren eine Ziegenherde, ein älterer Mann mit durchtriebenem Blick, den Fabrisse ihnen als »meinen Buchhalter Johann« vorgestellt hatte, was eine beschönigende Beschreibung für den Leiter ihrer Schmuggelaktivitäten war, und eine Schar Enkel.
»Wer ist es, Deniz?«, rief Fabrisse leise.
»Die St. Patrick.«
O’Donnells Flaggschiff. Das war eine Erleichterung. Seit Tagen warteten sie darauf.
»Nun werde ich Euch morgen verlieren«, sagte Fabrisse traurig zu Adelia. »Er wird alle Vorbereitungen getroffen haben, Euch zurück nach England zu schicken.«
»Nein«, sagte Adelia. »Wir fahren mit ihm nach Palermo.«
Seit sie in der Höhle von Caronne von ihrer schrecklichen Erkenntnis überrascht worden war, hatte sie ihre Sicherheit zurückgewonnen.
Wie kann er es wagen. Wie kann er es nur wagen. Das lasse ich nicht zu. Sie war von Henry Plantagenet mit eine Aufgabe betraut worden. Bisher hatte Scarry es verhindert, dass sie ihre Verpflichtung erfüllte, aber sie würde bis
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