Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Sylvia besucht haben, hieß es, das Einzige, was sie je von sich gewaschen habe, seien ihre Hände gewesen.«
»Ich bin sicher, sie hatte ihre Gründe, Liebes.« Das war Beatrix. »Aber der Herr, unser Gott, möchte, dass Seine Königinnen sauber sind.« Es entstand eine seifige Pause. »Genau wie ihre Hofdamen.«
Adelia saß in ihrem Zuber am Ende der Reihe und grinste. Die Ladies waren schwer genießbar und nicht gerade ihre Freundinnen, doch in diesem Moment, während sich ihre schmerzenden Glieder entspannten, pries sie eine wie die andere. Auf ihre Weise waren die drei bewundernswert. Sie scharten sich schützend um ihre Prinzessin und sorgten für ihre Bequemlichkeit, und natürlich auch ihre eigene. Sie unterhielten sie auf der langen Reise, sangen Lieder (jede von ihnen beherrschte ein Musikinstrument), erzählten Geschichten und Rätsel und waren immer exquisit zurechtgemacht, das Haar unter Diademen und Schleiern perfekt geflochten, die Seide ihrer Kleider wie Haut auf dem schlanken Körper, mit tief ausgeschnittenen Leibchen, die ihre alabasterfarbenen Dekolletés hervorhoben.
Sie verwirrten die Männer mit ihrer Schönheit und wurden zu Träumen, die nicht von dieser Welt waren.
Das war es, nahm sie an, was sich Rowley für Allie wünschte. Aber was für eine Art Existenz war das am Ende? Reichte der schöne Schein? Nur Petronilla konnte lesen, nutzte ihre Fähigkeit aber allein für Bücher über Manieren und Etikette. Von Geschichte hatten alle drei keine Ahnung, sie kannten sich nur mit den eigenen Vorfahren aus und waren ohne Vorstellung vom Leben außerhalb des Hofes. Verträumt redeten sie davon, welchen adeligen Ehemännern sie wohl geschenkt werden mochten, als wäre die Ehe eine Lotterie. Was es bei Ihnen wahrscheinlich auch war.
Adelia hätte sich einen Friedenspakt mit Joannas Hofdamen gewünscht, um sie besser kennenzulernen, aber da sie als Eindringling angesehen wurde, bildeten die drei eine feste Front gegen sie, in der ihre Individualitäten mehr oder weniger untergingen.
Adelia seufzte und rief durch den duftenden Nebel nach Boggart, die ihr ein Handtuch bringen sollte. Sie zuckte zusammen, als sie ein Krachen hörte, das darauf hindeutete, dass die Kleine einen Salbentiegel zu Boden geworfen hatte. Das Mädchen bemühte sich, Gott segne sie! Aber es blieb beim Bemühen. »Du kannst jetzt ins Wasser, Boggart.«
»Oh ja, Mistress. Da dran gewöhn ich mich langsam. Und Ward iss heute auch schrecklich schmutzig. Ich frag mich, ob ich ihn mit reinnehm’n soll.«
Aus den Dämpfen erklang es im Chor: »Oh, bitte.«
Abgetrocknet und in einen von Emmas Umhänge gehüllt, ging Adelia hinaus auf den Flur und wollte vorher noch ihr Halskettchen mit dem Kreuz von dem Tisch nehmen, auf dem auch die Hofdamen ihren Schmuck abgelegt hatten, damit er nicht anlief und stumpf wurde.
Sie konnte es nicht finden.
Sie nahm eine Fackel aus ihrer Halterung an der Wand, hielt sie über den Tisch, um besser sehen zu können, und suchte noch einmal zwischen den glitzernden Ringen, Broschen und Ohrringen der anderen Frauen.
»Diese verdammten Weiber!«, sagte sie. »Diese verdammten …« Das Halskettchen war ihr einziger Schmuck. Sie trug ihn im Gedenken an ihre frühere Kinderfrau Margaret, die ihr vor langen Jahren einmal ein ähnliches Kreuz geschenkt hatte. Adelia hatte das einfache Kettchen mit dem schmucklosen silbernen Kreuz geliebt, es aber einem ermordeten Mädchen mit ins Grab gelegt, das den Anhänger ebenfalls sehr gemocht hatte. Sobald sie konnte, hatte sie sich eine Kopie machen lassen.
Um sicherzugehen, wartete Adelia, bis eine tropfende Boggart und ein ebenso nasser Ward aus dem Bad kamen. »Du hast nicht zufällig aus irgendeinem Grund mein Kreuz genommen, Boggart?«
»Nein, Mistress.«
»Das habe ich auch nicht gedacht. Verflucht seien diese verdammten Biester, diese Weiber, die mich unbedingt ärgern wollen!«
Boggart überlegte. »Ich glaub’ nich’, dass die’s gewesen sind, Mistress. Es lag da, als sie alle rein sind, ich hab’s gesehen. Und da iss keiner seitdem nich’ rausgekommen.«
Später lag Adelia eine Weile wach und überlegte, wer im Kloster wohl der Dieb sein mochte und warum er, oder sie, von all dem Schmuck auf dem Tisch gerade das am wenigsten wertvolle Stück genommen hatte.
Aber Allie wartete auf sie, es galt keine Zeit zu verlieren, und wenn sie die Sache an die große Glocke hängte, würde der Aufbruch am Morgen sicher verschoben werden, um alles zu
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