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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Platz. Mit einem Scheiterhaufen in der Mitte.
    Adelia glaubte Ward bellen zu hören und fragte sich, ob er wohl etwas zu fressen und Wasser fand. Sie fragte sich, ob Allie wohl ihren Falken fliegen lassen durfte, ob Schwester Aelith hatte entkommen können und wo Rowley sein mochte.
    Ihre Gedanken klammerten sich an diese Dinge und eilten weg vom Hier und Jetzt, das eine Farce sein musste, an deren Ende der Scheiterhaufen und das Holz unberührt blieben und sie alle nach Hause geschickt wurden. Menschen verbrannten sich nicht gegenseitig, nicht in diesen Zeiten. Das war eine Drohung aus einer anderen Epoche, mit der Ungläubige eingeschüchtert wurden, Juden, Hexen und andere Abweichler. Wirklich wahrgemacht wurde sie längst nicht mehr. Nicht hier, lieber Gott, nicht hier.
    Das Ungewohnte der Situation drang auf sie ein und versetzte sie in Panik. Die Landschaft hinter den Türmen und Dächern war erbarmungslos, zu zerklüftet und zu hoch aufragend, und dann dieser Platz voller Menschen, die sie nicht kannte, die nichts für sie waren, so wie sie nichts für sie war.
    Nein, sagte sie sich, es wird nicht geschehen. Die Kirchenmänner dort drüben auf dem stoffbespannten, Podium folgten dem Gebot, kein Blut zu vergießen. Ergo würden sie es auch nicht in brennendem Fleisch vergehen lassen. Sie
durften
es nicht. Und wenn der Scheiterhaufen mit seinen Holzbündeln auch dort in der Mitte stand, würde sie es nicht miterleben, denn es würde nicht geschehen … Und wieder konnte sie Ward bellen hören, und sie würde sterben, wenn ihm niemand half und ihn und Allie vor der Einsamkeit bewahrte, was natürlich jemand tun würde, denn es gab Güte in dieser Welt, es musste Güte geben, denn sonst gab es auch keine Gesundheit, kein Ziel …
    Der Platz war jetzt so voller Zuschauer, dass sich die Kappen und Mützen der Männer und die fein geflochtenen breiten Strohhüte der Frauen bis direkt unter sie schoben. Trotzdem war nichts von der allgemeinem Begeisterung zu spüren, mit der sonst oft Hinrichtungen verfolgt wurde. Die Leute wirkten missmutig. Katharer oder nicht, sie wollten das hier nicht.
    Eine Frau direkt unter Adelia sprach mit ihrer Nachbarin. »Ermengarde.« Es war, als reichte dieses Wort, um zu sagen, was zu sagen war.
    »Ich weiß«, sagte die Nachbarin.
    »Wie wird sie den Schmerz ertragen?«
    »Hoffen wir, dass Gott ihn auf sich nimmt.«
    Speere wurden gegeneinander geschlagen, die Soldaten begrüßten den Bischof von Aveyron, der in seinen Bischofsmantel gehüllt und mit der Bischofsmütze auf dem Kopf aus dem Palast trat. Er hatte sein eigenes Podium, auf das man ihm hinaufhalf.
    Adelia schloss die Augen, als er zu sprechen begann. Er hatte eine schöne Stimme, wohlklingend und voller Trauer, und als Adelia sie hörte, wusste sie, dass Ermengarde heute sterben musste.
    »Meine lieben Freunde, ihr seid hier versammelt als gute Menschen und gute Christen, die Zeuge dessen sein wollen, was um unser Seelenheil willen getan werden muss …«
    Plötzlich ertönte ein Schrei: »Verfolgung!« Es war eine Männerstimme, mutig und klar. Sofort hörte man Stiefeltrampeln, Soldaten teilten die Menge, um den Besitzer der Stimme aufzuspüren. Gott segne ihn!, dachte Adelia. Wer immer er ist. Wir sind niemals ganz allein.
    »Verfolgung?«, fragte die schöne Stimme. »Aber nicht jede Verfolgung ist tadelnswert. Für uns ist es richtig, die Irrgläubigen zu verfolgen, genau wie Jesus Christus sie verfolgt hat, als Er sie aus dem Tempel warf. Böse Männer und Frauen zu töten und so ihre Seelen um der Erlösung und Gerechtigkeit willen zu retten ist unser Dienst an Gott. Und das müssen wir heute tun.«
    Wieder Stiefeltrampeln. Sie brachten Ermengarde auf den Platz. Eine Phalanx Mönche begann zu singen.
    Adelia öffnete die Augen. Die Katharerin sah so klein aus. Sie war ohne Kopfbedeckung, und der Wind blies ihr das graue Haar ins Gesicht. Sie stieß ihren eigenen Schlachtruf aus. Gott, segne sie, oh, segne sie!, dachte Adelia. Ermengardes Stimme erhob sich über den Wind und den Gesang der Mönche: »›Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig sind sie reißende Wölfe:‹ So steht es im Matthäusevangelium. Ihr Gott ist dumm, grausam, blutdürstig und ungerecht …«
    Ein Schlag, und sie verstummte.
    Ein Murmeln wie ein Windstoß, der über ein Kornfeld fährt, erfasste die Menge, und der Bischof übertönte es: »Hört ihr, ihr guten Menschen? Die Frau liefert den

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