Der Fluch des Andvari (German Edition)
abgehängt hatte. Holler wusste, dass Röwer hier war.
Die Angelegenheit wurde kompliziert.
Holler hätte keine Skrupel gehabt, nach Mitternacht mit seinem Komplizen in das Haus einzudringen. Die beiden Frauen hätten sie überwältigt und sich dann das Mädchen geholt. Doch die Anwesenheit des Kommissars hinderte ihn; es könnte zu einer Schießerei kommen. Sicherlich wäre es eine günstige Gelegenheit, wenn Röwer dabei zu Tode käme – Steinhagen würde es freuen. Aber Holler fürchtete sich letztendlich vor Thors Reaktion, der Meister würde in ihm den Schuldigen sehen und ihn gnadenlos zur Rechenschaft ziehen – das hieße: ihn töten. Dieses Risiko wollte Holler nicht eingehen. Er wusste, zu was Thor und seine Königin fähig waren.
Vor fünf Jahren hatte Holler die Führung der Schwarzen Engel übernommen. Dabei war er mehr und mehr in Gesellschaftskreise eingedrungen, die sich mit paranormalen Phänomen und schwarzer Magie beschäftigten. Vieles von dem, was er gesehen hatte, war Hokuspokus gewesen. Doch einige Ereignisse waren nicht von dieser Welt gewesen. Es gab das Schattenreich, die Welt der Geister und Dämonen. Davon war Holler überzeugt. Bislang konnte er einer Konfrontation mit diesen Wesen aus dem Weg gehen, selbst einer direkten Begegnung mit Brünhild war er stets ausgewichen. Diese Frau war abgrundtief böse, sie lebte nur für ihren Vorteil und mordete auf bestialische Weise. Aber Steinhagen und selbst Thor waren blind, blind vor Gier nach dem Schatz. Niemand von ihnen schien zu bemerken, dass diese Frau vielleicht ganz andere, ihre eigenen Pläne verfolgte. Sie war ein Wesen aus der Schattenwelt, ein Dämon, der nur durch einen Umstand wiedererweckt worden war, den selbst Holler noch nicht vollständig erschlossen hatte. Die Vorstellungen an diese Frau ängstigen ihn sogar mehr als die Wutausbrüche Steinhagens. Der Medienzar wusste bislang nichts von dem Fehlschlag auf dem Reiterhof und das sollte so bleiben. Holler würde seine Chance bekommen, das Mädchen zu entführen. Wenn nicht heute, dann morgen.
Donnerstag, 27. April
Sonnenstrahlen fielen ins Gästezimmer. Hannah hatte sehr unruhig geschlafen. Jetzt lag sie wach und grübelte. Ihr Leben hatte sich mit dem gestrigen Ereignis schlagartig geändert. Die Bedrohung hatte sie unmittelbar getroffen, es gab kein Zurück mehr. Sie musste sich wehren und die Machenschaften des Ordens aufdecken. Sollte sie sich an die Presse wenden, um die Öffentlichkeit zu informieren? Wäre das eine sichere Chance zu überleben?
Zärtlich streichelte sie ihre Tochter, die neben ihr lag. Julia kuschelte sich an ihre Mutter. Sollte dem Mädchen etwas passieren, hätte das Leben für Hannah keinen Sinn mehr. Sie war und würde immer der wichtigste Mensch für sie bleiben, egal, auch wenn sie sich wieder verlieben sollte. Verlieben! Ein Kribbeln überfiel Hannah. Sie musste an Beate denken. Wenn sie sich jemandem hingeben würde, dann ihr. Sie war die einzige, die sie wirklich verstand. Was für ein merkwürdiger Gedanke, überlegte Hannah. Aber Beates Nähe weckte Sehnsüchte in ihr, die sie nie für möglich gehalten hatte. Ihre Freundin war so zärtlich und verständnisvoll. Doch Hannah wollte nichts erzwingen. Erst einmal galt es, zu überlegen, wie sie gefahrlos in ihre Wohnung gelangen könnte, um Sachen fürs Wochenende einzupacken. Die Fahrt nach Hamburg stand an.
Erneut streichelte Hannah ihre Tochter. „Zeit zum Aufstehen, Prinzessin“, sprach sie leise.
Julia streckte sich, rieb sich die Augen. Verschlafen sah sie ihre Mutter an.
„Guten Morgen, mein Schatz.“
„Ich möchte noch ein bisschen schlafen“, murmelte sie.
Hannah lächelte liebevoll. „Nein, wir müssen aufstehen.“
Dennoch ließ sie ihre Tochter noch etwas gewähren, kuschelte sich an sie, schmuste mit ihr.
Bis sich Hannah schließlich von ihr löste. „Jetzt komm, mein Schatz.“
„Muss ich heute in die Schule?“
„Nein. Ich werde dich krank melden. Danach werden wir ein paar Sachen aus der Wohnung holen und dann zu Opa und Oma fahren.“
„Sind wir dort vor den Männern in Sicherheit?“
Hannah blickte Julia lange an, bevor sie antwortete: „Ich weiß nicht. Aber Röwer kann uns …“
„Der Dichter?“
„Nein, er ist kein Schriftsteller. Er ist Kriminalkommissar. Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe, mein Schatz.“
„Warum hast du das gemacht?“
„Ich wollte dich beschützen.“
„Und er kann uns helfen?“
„Ich hoffe es. Er wird
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