Der Fluch des Andvari (German Edition)
nicht verstecken“, äußerte sie mit gequältem Ton. „Ich muss nach Hamburg.“
„Stimmt. Der Geburtstag.“
„Hamburg? Geburtstag?“, fragte Röwer verdutzt.
„Der Geburtstag ihres Vaters.“ Beate erzählte dem Kommissar von dem bevorstehenden Fest anlässlich des 65-jährigen Geburtstages von Reinhold Jenning.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage“, wehrte Röwer ab und sah Hannah an. „Eine bessere Gelegenheit können wir den Männern nicht bieten.“
„Das ist mir jetzt egal“, erwiderte Hannah, während sie sich einen weiteren Wodka einschenkte. Entschlossenheit packte sie. „Ich fahre mit Julia. Davon bringt mich nichts ab. Ich werde mich nicht verstecken.“
„Dann komme ich mit“, sagte Röwer. „Ich werde Sie beschützen.“
„Und in welcher Verkleidung?“
„Als Ihr Liebhaber“, äußerte er spontan.
„Was? Oh, nein“, winkte Hannah lachend ab. „Das ist keine gute Idee.“
„Wieso nicht? So kann ich immer in Ihrer Nähe bleiben.“
„Stimmt. Das ist die perfekte Tarnung“, pflichtete Beate bei.
Skeptisch betrachtete Hannah ihre Freundin. „Du denkst, ich soll mich wirklich auf so ein Abenteuer einlassen, Bea? Mein Vater wird aus allen Wolken fallen, wenn ich plötzlich mit einem Partner an meiner Seite erscheine.“
„Sie können ihm ja sagen, dass Sie ihn extra zu seinem Geburtstag damit überraschen wollten“, warf Röwer ein.
„Sie kennen meinen Vater nicht“, entgegnete sie weiterhin skeptisch.
„Viele Alternativen haben wir nicht“, versuchte er, sie zu überzeugen. „So minimieren wir wenigstens das Risiko einer erneuten Entführung.“
Hannah überlegte. Dann müsste sie sich mit dem Kommissar einlassen. Sie müsste küssen und kuscheln mit dem Mann, der im Grunde scharf auf ihre Freundin war. Ob sie beide damit überzeugen könnten?
„Haben Sie denn überhaupt einen Smoking?“, provozierte sie ihn.
„Selbstverständlich. Auch Polizisten verstehen zu feiern.“
Hannah war müde, sie brauchte Ruhe. Der Wodka zeigte zudem Wirkung. „Wir reden morgen früh beim Frühstück weiter darüber. Ich will jetzt ins Bett.“
„Natürlich, Hanni“, erwiderte Beate. „Du hast für heute genug durchgemacht.“
Sie umarmte Hannah, streichelte sie erneut.
„Ich danke dir für alles, Bea“, flüsterte sie. „Es ist schön, dich in meiner Nähe zu wissen.“
„Ja. Ich werde dich morgen nach Hamburg begleiten“, entgegnete sie ebenso leise. „Irgendwie kriege ich das mit meinem Vater schon geregelt. Und am Samstag ist er ja auch auf dem Fest.“
Hannah lächelte ihre Freundin an. „Das wäre schön.“
Und es geschah genau das, was sie sich gewünscht hatte. Beate küsste sie auf den Mund.
„Gute Nacht, Hanni. Und verscheuche deine bösen Träume ganz schnell.“
„Gute Nacht.“
Dann wandte sich Hannah ab und ging ins Obergeschoss hinauf. Nach der Toilette zog sie sich einen Pyjama ihrer Freundin an, anschließend stieg sie leise zu Julia ins Bett. Das Mädchen schlief bereits tief und fest. Sanft schmiegte sich Hannah an ihre Tochter. Es war ein schönes Gefühl gewesen, Beates Lippen auf ihrem Mund zu spüren. Auch das zärtliche Streicheln hatte ihr gefallen. Empfand sie tatsächlich mehr als nur freundschaftliche Gefühle? Über diese Gedanken schlief sie schließlich ein.
Langsam fuhr Holler in seinem BMW die dunkle Straße entlang, suchte das bewusste Haus mit der Nummer acht, das Haus von Beate Wittek. Noch brannte Licht in den Wohnungen, Leute gingen mit ihren Hunden Gassi. In Sichtweite des Hauses fand Holler einen freien Parkplatz. Er war allein unterwegs, brauchte Zeit, um in Ruhe die nächsten Schritte zu planen. Den Auftrag seines Chefs, eine simple Entführung, hatte er gründlich verpatzt. Die Gier hatte ihn übermannt. Holler hatte der Versuchung nicht widerstehen können – und es wäre ihm beinahe gelungen. Den rothaarigen Feger hatte er bereits sicher in seinen Fängen gehabt. Auch das Mädchen hätte er sich geschnappt, wenn nicht die Männer erschienen wären.
Verärgert schaute er zu dem Haus von Beate Wittek hinüber. Im Erdgeschoss schimmerte Licht durch die Jalousien. Er wusste, dass sich Hannah Jenning mit ihrer Tochter hierher geflüchtet hatte. Er hatte sie zwar auf dem Reiterhof aus den Augen verloren, als der VW Transporter in wilder Hast den Feldweg entlang gerast war, doch das zweite Team hatte sie weiterhin verfolgt. Auch dem Kommissar hatte es nichts genützt, dass er seine Komplizen in der Innenstadt
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