Der Fluch des Andvari (German Edition)
hier, unter all den Gästen. Vergangene Nacht hatte sich Beate zu ihr ins Zimmer geschlichen, lange, nachdem sie nach all dem Stress erschöpft eingeschlafen war. Erneut hatte sie mit ihr die erotischen Freuden geteilt, die an Sinnenlust kaum zu überbieten waren. Beate schien zum Liebemachen geboren zu sein. Was für eine Fantasie und Ausdauer sie besaß. Wenn sie auch so über Röwer herfiel, musste er eine gute Konstitution besitzen, so fit, wie er morgens immer wirkte. Und nur für diese eine Sekunde sehnte sich Hannah nach seiner Stärke. Dann waren ihre Gedanken wieder bei den Verlockungen ihrer Freundin. Hannah spürte Beates Hand zwischen ihren Schenkeln, Hitze erfasste ihren Körper, ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie drückte die Hand ihrer Freundin fest auf den Schritt. Da zog Beate zurück. Hannah hätte vor Entrüstung beinahe aufgestöhnt.
„Möchtest du Bernhardt ‚hallo‘ sagen?“, fragte Beate lächelnd.
Es dauerte einen Moment, bevor Hannah die Worte realisierte. „Was hast du gesagt?“, stammelte sie.
„Alles in Ordnung?“, fragte Röwer besorgt.
„Ja“, hauchte Hannah.
„Komm“, forderte Beate. „Lass uns Bernhardt suchen.“
Sie fasste nach Hannahs Hand und zog die Frau mit. Hannah ließ es willenlos geschehen, folgte ihrer Freundin, ignorierte die verdutzten Blicke ihrer Tochter und des Kommissars.
„Du bist ja geiler, als ich dachte“, flüsterte Beate, während sie zur Veranda gingen.
„Ich … ich …“
„Noch eine Minute länger und du wärst am Tisch gekommen, meine Süße.“
„Es tut mir leid. Ich …“
„Nein. Es ist meine Schuld. Ich wusste nicht, dass es dich dermaßen erregt.“
„Wo gehst du mit mir hin?“
„Ins Badezimmer. Dort kannst du dich frisch machen. Und dann suchen wir meinen Vater.“
Rasch überquerten sie die Veranda und betraten die Villa.
Etwas abseits vom Trubel hatte sich Thor zu einer Baumgruppe zurückgezogen. Mittlerweile hatte er alle sechs Mitglieder des Führungszirkels begrüßt. Morgen Abend wollten sie sich auf einem abgelegenen Gehöft im Süden von Hamburg treffen, um weitere Schritte und Maßnahmen abzustimmen.
Seit acht Jahren war Thor nun Meister des Andvari-Ordens, so wie die Tradition es wollte. Er hatte die strikte Linie seines Urgroßvaters, dem Begründer des Ordens, fortgeführt und sich Autorität verschafft. Die Basis dafür war seine eigene Unternehmensgruppe und die vielen Beteiligungen an anderen Firmen dieser Branche. Das gab ihm Macht. Nur ein Mann weigerte sich beharrlich, ihm bedingungslos zu folgen: Steinhagen. Schon immer hatte der Mann intrigiert und war seine eigenen Wege gegangen. Er war außerdem der Kollaborateur von Mainz, davon war Thor überzeugt. Seit der Übernahme der Medienanstalten schien er in seinem Machtrausch nicht mehr zu stoppen. Er häufte immer mehr Aktien und Firmenanteile von lukrativen Unternehmen an, die er über Strohmänner oder durch Scheingeschäfte erwarb, in der Hoffnung unerkannt zu bleiben. Aber Thor hatte ihn durchschaut. Eigentlich bargen diese Beteiligungen ein großes Potential für den Orden, doch Steinhagen teilte seine Macht nicht und missbrauchte sie für seine eigenen Interessen. Mittlerweile glaubte er, niemand könnte sich seinem Einfluss mehr entziehen. Er hielt sich für unantastbar. Aber sein Ehrgeiz würde ihm nun zum Verhängnis werden. Sobald das Projekt Andvaranaut beendet wäre, müsste Steinhagen seine Machtfülle dezentralisieren. Es gab keine Alternative. Der Vorgang war bereits beschlossene Sache, denn seine Eigenmächtigkeiten gefährdeten nicht nur Thors sondern auch Brünhilds Pläne.
Der Meister war der einzige, dem sich die Walküre anvertraute. Diese Vorsicht hatte sie bislang geschützt und bot ihr zugleich die Möglichkeit, sich von der Integrität der Ordensbrüder selbst zu überzeugen. Schon manches Mitglied war spurlos verschwunden. Und nur Thor wusste, dass Brünhild selbst dahinter steckte. Sie war nicht zu unterschätzen und schützte ihr Geheimnis um jeden Preis. Sie hatte ihre eigenen Vorstellungen, doch bislang konnte sich Thor gut mir ihr arrangieren. Es war eine Symbiose zu beiderseitigem Nutzen, die von Achtung und Ehrlichkeit geprägt war. Ihre dämonischen Züge während der blutigen Zeremonien blendete er bewusst aus - sie waren ein notwendiges Übel.
Sein Blick traf Kommissar Röwer, der mit Julia Jenning in einem der Pavillons saß. Vor einem Jahr hatte sein Onkel den Orden in arge Bedrängnis gebracht.
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