Der Fluch des Andvari (German Edition)
ich …“ Verzweifelt versuchte er, den Zeigefinger zu krümmen, doch seine Hände vereisten. „Nein.“
„Du bist von der Gemeinschaft exkludiert, Todesengel.“
Jäh verschränkte sie die Arme über dem Kopf, verbarg somit ihren ganzen Körper in dem Gewand. Schlagartig hüllte blaues Licht Holler ein. Geisterhafte, grauenhafte Wesen griffen mit langen Klauen nach ihm. Er wollte aufschreien und die Dämonen mit seinen Armen abwehren, doch sein Schrei erstarb auf den gefrorenen Lippen, seine Glieder erstarrten zu Eis. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Doch sein Bewusstsein realisierte, dass es das Ende war. Brünhild öffnete das Gewand, blickte ihm direkt in die Augen. Blaue, diabolische Augen, so tief wie der Ozean. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war das letzte, das Holler sah. Als ihm ihr irres Gelächter entgegenschlug, hörte sein Herz auf zu schlagen.
Hannah keuchte, krallte sich rücklings an dem Waschbecken fest. Sie war heftig gekommen, brauchte einige Minuten, um wieder in die Wirklichkeit zu gelangen. Mit zitternden Beinen und geschlossenen Augen stand sie da und genoss das wohlige Gefühl der Erleichterung. Nie zuvor hatte sie solch einen Spaß beim Sex gehabt wie in den vergangenen Tagen mit ihrer Freundin. Als sie langsam die Augen öffnete, suchte ihr Blick Beate. Sie stand an der Tür.
„Na, bist du wieder gelandet, Süße?“
„Was machst du nur mit mir, Bea?“, flüsterte sie.
Lächelnd näherte sich Beate und küsste sie. Hannah erwiderte die Leidenschaft.
„Jetzt wasch dir dein Gesicht und bring dein Kostüm in Ordnung“, äußerte ihre Freundin schließlich. „Wir müssen wieder raus.“
Beate hatte Recht. Julia und Röwer machten sich sicherlich schon Gedanken. Noch war es Hannahs Geheimnis. Aber irgendwann galt es, eine Entscheidung zu treffen. Dann musste sie zu ihrer ungewöhnlichen Liebe stehen oder Beate für Röwer freigeben.
Als sie den Flur entlanggingen, sah Hannah eine große Pfütze auf dem Parkett und eine Klebebandrolle. Zudem verspürte sie eine merkwürdige Kälte. Es war eine unheilvolle Aura.
„Alles in Ordnung mit dir, Hanni?“, fragte Beate.
Ihre Angst war wohl unübersehbar. „Ich weiß nicht“, stammelte sie.
Langsam gingen sie weiter, durchquerten die Halle. Hier war von der Kälte nichts mehr zu spüren. Hatte sie sich das nur eingebildet?
„Was hast du denn?“, wiederholte Beate.
„Hast du das nicht auch gespürt?“
Was?“
„Diese Kälte.“
„Es ist etwas frisch geworden, ja, aber das liegt an der beginnenden Nacht.“
Hannah blieb stehen. „Nein, das meine ich nicht.“
„Was meinst du dann?“
Verunsichert sah Hannah ihre Freundin an, überlegte. „Ja, du hast Recht, Bea. Es war nur so ein Gefühl.“
„Na, dann ist ja alles in Ordnung. Für einen Moment fürchtete ich …“
„Was?“, hakte Hannah sofort nach.
„Dass meine Geliebte Angst vor dem Abenteuer hat“, erwiderte sie schelmisch.
Hannahs Herz klopfte wild. „Ich bin nur ein Abenteuer für dich?“
„Oh, nein.“ Mitleid zeichnete ihr Gesicht. „Hanni … so habe ich das nicht gemeint. Du bist weit mehr als ein Abenteuer. Du hast solch ein Feuer in dir, es setzt meinen Körper in Flammen.“
„Aber Röwer und du …“, begehrte Hannah auf.
Liebevoll streichelte Beate ihr über die Wange. „Ich rede mit ihm, sobald wir wieder in Mainz sind. Er begehrt sowieso nur meinen Körper. Du hingegen bist meine Erfüllung.“
Hannah glaubte, ihre Beine würden nachgeben. Ihre Freundin hatte sich zu ihrer Liebe bekannt, jetzt lag es an ihr. „Bea, ich …“, stotterte sie.
„Würde es dir denn gefallen mit mir zusammen zu sein, Hanni?“
„Ja, Bea“, hauchte Hannah erregt. „Sehr sogar.“
Ein strahlendes Lächeln erfasste Beates Gesicht. Es löste Hannahs Anspannung. Schließlich gingen sie in den Garten zurück. Die Gäste amüsierten sich, waren fröhlich, niemand schien etwas bemerkt zu haben. Und gerade das Geheimnis dieser heimlichen Liebe verschaffte Hannah ein stimulierendes, prickelndes Gefühl.
Es war ein notwendiges Übel gewesen, das Brünhild zur Tötung von Holler getrieben hatte. Seine Gier war außer Kontrolle geraten. Zudem war es an der Zeit, ihre Macht zu demonstrieren und aufs Neue den bedingungslosen Gehorsam der Ordensmänner einzufordern. In den vergangenen Jahrzehnten war das Selbstvertrauen der Männer mehr und mehr gewachsen, je größer ihre politischen Erfolge wurden. Fast vergessen schien der Bund, den Friedrich
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