Der Fluch des Andvari (German Edition)
von ihnen näherte sich dem Rettungswagen. Ein sportlicher Mann, Mitte 30, mit dunkler Stoppelfrisur und Zwei-Tage-Bart.
„Sie haben die Polizei verständigt?“, sprach er Hannah an.
Sie nickte stumm.
„Es tut mir leid, dass Sie das mit ansehen mussten. Ich weiß, wie furchtbar das für sie gewesen sein muss.“ Er blieb an der Hecktür stehen. „Fühlen Sie sich wieder besser?“
Sie nickte wiederholt.
„Ich bin Kriminaloberkommissar Röwer, Kripo Mainz“, stellte er sich vor und zeigte ihr kurz seinen Ausweis. „Ich muss Ihnen einige Fragen stellen, Frau ...“
„Hannah Jenning“, erwiderte sie zaghaft.
Er nahm einen kleinen Notizblock aus seinem Mantel hervor. „Kommen Sie jeden Morgen hier vorbei, Frau Jenning?“
Daraufhin erzählte sie ihm, wo sie wohnte und von ihrer Arbeit beim Verlag.
„Ist Ihnen heute Morgen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“, fragte er schließlich.
„Sie meinen ein Auto?“
„Oder eine Person, die sich auffällig verhalten hat.“
„Nein ... ich sah diese Reifenspuren. Ich wunderte mich schon, da der Weg - sagen Sie, wer tut so etwas Furchtbares?“
„Sie haben also nichts Auffälliges bemerkt?“
Hannah schüttelte den Kopf.
„Okay. Wenn Ihnen noch etwas einfällt oder sich in den nächsten Tagen etwas Ungewöhnliches ergeben sollte, rufen Sie mich bitte an.“ Er reichte ihr seine Visitenkarte. „Sie können mich jederzeit erreichen.“
Sie nahm die Karte mit einem Kopfnicken entgegen. „Ja, natürlich.“
„Danke, Frau Jenning. Soll Sie jemand nach Hause fahren?“
„Nein, nein“, stotterte sie. „Ich fahre zur Arbeit.“
„Wie Sie wollen.“
Etwas verunsichert griff sie ihren Rucksack und stieg aus dem Rettungswagen.
Unter den vielen Schaulustigen war auch ein Hüne, der ganz in Schwarz gekleidet war. Im Hintergrund verborgen, verfolgte er aufmerksam das Geschehen und machte unbemerkt Fotos. Die Tote lag in den Büschen verborgen. Ein weißes Tuch war mittlerweile über ihr ausgebreitet, Beamte suchten im Gestrüpp nach Spuren und Hinweisen. Ein Leichenwagen näherte sich im Schritttempo. Der Blick des Mannes wanderte zu der Rothaarigen, die bei ihrem Fahrrad verharrte und dem Kommissar nachschaute. Ihre Ausstrahlung war sehr sexy und sinnlich. Sie trug grüne Stiefel über der schwarzen Kordhose, dazu eine grüne Lackjacke. Ein toller Kontrast zu ihren roten Haaren. Verwirrt sah sich die Frau um. Für einen Moment schienen sich ihre Blicke zu treffen. Dann stieg sie in die Pedale und radelte davon.
Der Mann sah ihr nach. Es war genauso verlaufen, wie sein Auftraggeber es gewünscht hatte. Die Frau hatte die Tote gefunden, was sie geschockt hatte. Zufrieden steckte der Mann die Digitalkamera in die Lederjacke und verließ den Schauplatz.
Während er zu seinem BMW ging, den er am Straßenrand geparkt hatte, verspürte er erneut ein gewisses Kribbeln. Diese Rothaarige törnte ihn an, seit er sie im vergangenen Herbst das erste Mal gesehen hatte. Mittlerweile kannte er all ihre Gewohnheiten und Freunde. Aber noch war sie für ihn unerreichbar. Würde er sich an ihr vergreifen, hätte es ausgesprochen unangenehme Folgen für ihn. In diesem Punkt war mit seinem Auftraggeber nicht zu spaßen Doch seine Zeit würde kommen, davon war der Hüne überzeugt. In seiner Fantasie schwelgend stieg er schließlich in den BMW und fuhr los.
Hannah beeilte sich, das Fahrrad vor dem Hauseingang abzustellen. Sie hastete die Stufen ins zweite Stockwerk hinauf und betrat den Korridor mit den Büroräumen des Verlages.
Bernhardt Wittek kam ihr entgegen. „Guten Morgen, Frau Jenning“, begann er fröhlich, doch stutzte dann. „Um Himmels Willen. Wie sehen Sie denn aus? Sind Sie gestürzt? Ist Ihnen etwas passiert?“ Er eilte zu ihr.
Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Stiefel völlig mit Schlamm bespritzt waren. Verstört schaute sie den Verleger an.
Die Sekretärin erschien im Korridor. „Hannah“, rief sie erschrocken. „Bist du angefahren worden?“
Da konnte sie ihre Emotionen nicht mehr unterdrücken. Tränen schossen ihr in die Augen, sie schluchzte kurz auf.
„Kommen Sie“, versuchte Wittek, sie zu beruhigen und drängte sie behutsam in ihr Büro. „Setzen Sie sich erst einmal. Und dann erzählen Sie uns, was passiert ist.“ Und zu der Sekretärin gewandt: „Holen Sie ihr ein Glas Wasser.“
„Natürlich. Sofort“, stotterte die Frau und eilte aus dem Zimmer.
Apathisch ließ Hannah alles mit sich geschehen. Kurz darauf war die
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