Der Fluch Des Bierzauberers
wurde. Auch zur Fiebersenkung, bei Ohrenfluss, Hautausschlägen, sogar bei Traurigkeit, Schluckauf, Bleichsucht, Gicht, Wassersucht und Hysterie wurde Biberklee seit jeher empfohlen.
»Das wäre doch mal einen Versuch wert«, schlug Knoll vor. »Das macht uns vielleicht den Verlust unseres geliebten Hopfens mehr als wett.« So schickten sie ein paar Jungen auf die Suche, den Biberklee zu finden und zu ernten.
Unter den Jungen befand sich neben Ulrich Knoll auch Flügels gleichaltriger Sohn Johann. Ulrich hatte schnell in die Gruppe hineingefunden, die tagsüber die kleine Stadt unsicher machte. Johann, der unter den Jüngeren der Wortführer war, hatte ihm den Einstieg erleichtert. Die beiden Jungen hatten einander, wie ihre Väter auch, gleich gemocht. Tagaus, tagein strolchten sie nun durch die Gegend, machten sich einen Spaß daraus, trotz der Ermahnungen der Eltern heimlich aus der Stadt zu verschwinden und später am Tag, bei ihrer Rückkehr, die Stadtwache anzuflehen, sie nicht zu verraten. Die kleineren Buben waren draußen fast keinerlei Gefahren ausgesetzt, aber sobald sie älter als zwölf Jahre waren, konnte es gefährlich werden. Vorbeiziehende Truppen ergriffen gelegentlich die Heranwachsenden, entführten sie, um sie als Dienstboten zu missbrauchen, oder rekrutierten sie sogar zwangsweise als Soldaten. Daher hatten alle Eltern ein wachsames Auge darauf, dass ihre älteren Kinder in der Stadt blieben.
Auch Flügel hatte noch eine Tochter: Sophia, die ein Jahr älter war als Knolls Tochter. Beide waren zu jung, um zur Biberkleeernte mitzukommen. Also versuchten hier die Mütter, Freundschaft zwischen den beiden Mädchen zu stiften. Doch die beiden verstanden sich nicht auf Anhieb so gut wie ihre Brüder. Das lag zum großen Teil daran, dass Sophia Angst hatte vor der zerbrechlichen, feengleichen Gestalt Lisbeths. Das Mädchen, das seine ersten Lebensjahre in der Kakushöhle verbracht und dementsprechend wenig Sonnenlicht gesehen hatte, war nicht nur für Sophia wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Hellblonde, fast weiße Haare, die zu ihrer hellen, fast durchsichtig schimmernden Haut überhaupt keinen Kontrast bildeten, umrahmten ein zierliches Engelsgesicht, dessen dünner Hals auf einem ebenso mageren, zerbrechlich wirkenden Körper saß. Ihr bisheriges Leben war geprägt gewesen von Hunger, Elend und endlosen Wanderungen durch zerstörte Landschaften. Sie hatte es bald nach ihrer Geburt schon aufgegeben, sich über Mangel an Nahrung oder Wärme schreiend zu beklagen. Instinktiv hatte der Säugling gemerkt, dass seine Mutter ihm alles gab, wozu sie fähig war. Weshalb sollte das Mädchen dann noch etwas fordern, wenn nichts mehr da war? Obwohl es zurzeit wieder aufwärts ging, blieb Lisbeth Magdalena schweigsam und bescheiden. Sie fragte nicht nach, sie nahm sich einfach, was sie brauchte, sofern sie es mit ihren spindeldürren Beinchen, auf denen sie staksend daherkam, erreichen konnte. Ansonsten saß sie meist auf dem Fußboden, spielte mit Steinen und Stöckchen, die sie aufgelesen hatte oder sang Kinderlieder vor sich hin, die auch hier im Habsburgerland im Krieg entstanden waren, wie das beliebte ›Schwedenlied‹: »Die Schweden sind gekommen, haben alles mitgenommen, haben’s Fenster eingeschlagen, haben’s Blei davongetragen, haben Kugeln draus gegossen, und die Bauern totgeschossen.« Während sie das Liedchen vor sich hinträllerte, liefen Magdalena Tränen die Wangen hinunter.
11.
Die Männer unterbrachen ihr Bücherstudium gelegentlich, um einander aus ihrem Leben zu erzählen. Knoll berichtete wehmütig vom Untergang Magdeburgs; Flügel steuerte neben seiner eigenen Familiensaga auch Anekdoten aus der bewegten Bitburger Biergeschichte bei. Er erwähnte Niklas von Hahnfurt, der im Jahr 1276 die Brauerei gegründet hatte, in der Flügels Urahn einst als Lehrling eingestellt worden war und sie anschließend übernommen hatte.
»Aber Niklas war nicht der erste Brauer in Bitburg. Die de Foros waren schon länger Bierbrauer. Obwohl, ich bin mir nicht sicher, ob man deren Gebräu Bier nennen konnte«, lachte er los. »Und vor den de Foros waren es Benediktinermönche in St. Maximin, die zuerst in Bitburg Bier brauten, wenn auch überwiegend, um den eigenen Durst zu stillen.«
Er holte zwei Krüge des letzten Biers, setzte sich Knoll gegenüber und begann zu erzählen. »Die älteste Geschichte, die es in Bitburg über Bier gibt, stammt von
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