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Der Fluch des Denver Kristoff

Der Fluch des Denver Kristoff

Titel: Der Fluch des Denver Kristoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Vizzini , Chris Columbus
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Durchschnittskinder, denen nicht das Geringste an ihrer großen Schwester lag und die sie nie wirklich geliebt hatten. Ihre Eltern hatten als Beschützer versagt, weil sie einfach zu schwach waren. Nicht einmal Will war eine echte Kämpfernatur, sondern nur das blasse Abziehbild eines Piloten.
    Von nun an sollte in Cordelias Leben nur noch eines zählen: Das Buch des Verderbens und Verlangens.
    »Wird dir allmählich alles klar?«, fragte die Windfurie.
    »Sonnenklar«, bestätigte Cordelia, als wäre sie soeben aus einem Traum erwacht und zurück in einer Realität, in der sie vollkommen widerstandslos war. Die Windfurie umklammerte ihre Hand immer noch wie ein Schraubstock.
    »Gut. Jetzt, da du die anderen los bist, kannst du dich auf deine eigenen Träume konzentrieren.«
    »Das Buch«, sagte Cordelia.
    »Es verlangt nach dir. Es braucht dich. Es ist deine Bestimmung.«
    »Ja«, sagte Cordelia, während sich ein unheimliches, seltsam entrücktes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Ihre Augen waren wie tot.
    »Ich verspreche dir: Wenn du mich zu dem Buch führst, werden wir beide frei sein.«
    Cordelia straffte sich entschlossen. »Ich kann dich zu ihm bringen. Aber dafür musst du mich hier rausholen. Deine Kräfte sind stark genug, um diese Gitter zu sprengen …«
    Die Windfurie schüttelte den Kopf. »Wir wollen doch nicht, dass uns jemand hört.«
    »Natürlich …«, sagte Cordelia. Mit jeder Sekunde, in der die Windfurie sie festhielt, schien der Nebelschleier in ihrem Kopf dichter zu werden.
    Ihre Finger fühlten sich auf einmal ganz frostig an. Eisige Kälte kroch durch ihre Arme, ihre Brust, ihr Gesicht. Nach und nach erstarrten auch ihre Beine. Sie bemerkte, dass ihre Hände allmählich an Farbe verloren und sich in etwas Hartes, Durchscheinendes, Schimmerndes verwandelten.
    »Was machen Sie da?«, fragte sie die Windfurie.
    »Ich bringe uns hier raus.« Auch der Körper der Windfurie schien sich zu verwandeln. Cordelia wusste nicht, was sie faszinierender fand: zu beobachten, wie ihre eigene Haut einen seltsam transparenten Schimmer annahm, oder zu sehen, wie mit der Windfurie das Gleiche geschah. Obwohl sie immer noch sprechen und sich bewegen konnten, wurden sie beide innerhalb weniger Minuten von Wesen aus Fleisch und Blut zu …
    »Eis!«, staunte Cordelia. »Sie haben uns in Eis verwandelt! Aber warum?«
    »Folge mir«, befahl die Windfurie nur und zog Cordelia auf die Gitterstäbe zu. »Der Schmerz ist nur kurz.«
    »Schmerz?«
    Doch es war bereits zu spät. Die willenlose Cordelia hinter sich herzerrend, steuerte die Windfurie ungebremst auf die Metallstäbe zu – bei dem Aufprall zersprangen die beiden Eiskörper in tausend Stücke.
    Eine Wolke von Eissplittern flog durch das Gitter und landete auf dem Gang auf einem kleinen Haufen. Cordelia, die irgendwie bei Bewusstsein geblieben war, dachte: Jetzt bin ich mit der Windfurie vermischt. Ich bin ein Teil von ihr.
    Die Eisstücke wurden lebendig, rutschten aufeinander zu und setzten sich wieder zusammen. Stück für Stück wuchsen die Windfurie und Cordelia wieder zu Eisskulpturen zusammen. Dann erwärmte sich das Eis und ihre Haut nahm wieder Farbe an, bis sie ihre menschliche Gestalt wiedererlangt hatten. Doch ein kleiner Rest von Kälte blieb, irgendwo tief in ihrer Brust, wo genau, konnte Cordelia nicht sagen.
    »Das war doch nicht so schlimm, oder?«, fragte die Windfurie.
    »Nicht so schlimm? Es hat sich angefühlt wie tausend Feuerquallen auf der Haut. Wie damals in Florida mit Mom und Dad, Bren und Nell, als wir …« Cordelia brach ab, als die alten Erinnerungen sie einholten. Die Windfurie merkte es sofort und verstärkte ihren Druck auf Cordelias Hand, woraufhin die Gedanken des Mädchens zu einem undefinierbaren Brei verschmolzen. In diesem Zustand fühlte sie nur noch eines: selbstsüchtiges Verlangen.
    »So, meine Liebe, und jetzt zeigst du mir den Weg!«, sagte die Windfurie sanft.
    Cordelia leitete die Windfurie zielsicher den Gang hinunter, sie konnte das Buch förmlich riechen. Im nächsten Augenblick standen sie schon vor Sangrays Kajüte. Dort stand jemand neben der Tür und schien auf sie gewartet zu haben.
    Ihre Schwester.
    »Deli!«, rief Eleanor. »Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht; ich wollte … Wieso hältst du Händchen mit der Windfurie?«
    Cordelia wollte sofort auf sie zustürzen, sie folgte einem tiefen inneren Instinkt. Ihre Erinnerungen an Eleanor waren offenbar doch nicht ganz ausgelöscht.

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