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Der Fluch des Denver Kristoff

Der Fluch des Denver Kristoff

Titel: Der Fluch des Denver Kristoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Vizzini , Chris Columbus
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Wahrscheinlich hockten sie oben an Deck, schlugen sich den Bauch mit Essen voll, machten Würfelspiele und stießen auf das Wohl ihres neuen Kapitäns an. Wenn sie ihre treulosen Geschwister erst einmal in die Finger bekäme, würde Cordelia sie als Erstes zusammen mit Will in diesen stinkenden Käfig sperren. Sie würde ihnen verbieten, miteinander zu reden. Dann würde sie …
    Moment mal – hatte sie da vielleicht gerade eine Fluchtmöglichkeit entdeckt? Das schwere Schloss an der Gefängnistür hing so nah an den Gitterstäben, dass Cordelia es mit ihren Fingern erreichen konnte. Ohne genau zu wissen, was sie da tat, schob sie ihre Hand durch das Gitter und versuchte, einen Finger in das Schlüsselloch zu stecken und dann mit einer Drehung … Knack! Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Finger, sie war zu hastig gewesen und hatte an der scharfen Metallkante ihren Fingernagel eingerissen.
    Autsch, tat das weh. Cordelia starrte entsetzt auf ihre Hand. Von ihrem Nagel war nur noch ein ausgefranster Stumpf übrig, aus der Fingerspitze quollen Blutstropfen. Vor lauter Schmerz jammerte sie wie ein kleines Kind: »Hilfe! Bitte, helft mir! Warum hilft mir denn keiner!«
    Doch es kam keine Antwort. Aus lauter Wut warf sie ihr Handy gegen die Wand. Mein Adressbuch nützt mir jetzt sowieso nichts mehr. Als ihr Handy in den Strohhaufen plumpste, fiel ihr plötzlich doch noch jemand ein, der ihr ganz sicher helfen würde.
    Jemand, der sogar magische Kräfte hatte.
    »Dahlia!«, rief sie. »Windfurie! Ich weiß nicht mehr weiter, du musst mir helfen! Bitte, bitte, hol mich hier raus! Dann zeige ich dir auch, wo das Buch des Verderbens und Verlangens ist, versprochen!«
    Kaum hatte sie das gesagt, als sie ein leises Rascheln hörte. Wie von Geisterhand erhob sich das Stroh vom Boden und kreiste in einem Wirbel vor ihr in der Luft, obendrauf drehte sich das Handy. Schneller und schneller bewegte sich das Stroh, als hätte jemand einen Miniwirbelsturm ausgelöst. Es formte sich zu einem eiförmigen Kokon …
    Dann platzte der Strohkokon plötzlich auf und heraus trat die Windfurie. Cordelia erkannte sie sofort wieder – den kahlen Schädel, die stechenden blauen Augen, das purpurfarbene Gewand – doch irgendetwas war dieses Mal anders. Cordelia brauchte einen Moment, um zu erkennen, was es war. Dann sah sie es: Die Windfurie hatte ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht.

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    C ordelia, meine Liebe«, säuselte die Windfurie und beäugte mitleidig die schäbige Umgebung, »das scheint mir für eine Frau deines Standes kaum der passende Ort zu sein.«
    Cordelia kniete mit gesenktem Kopf vor ihr. Sie hatte vor Schreck nicht einmal bemerkt, dass sie sich auf den Boden geworfen hatte, als das Stroh um sie herum zum Leben erwacht war … und als jetzt die Windfurie vor ihr stand, hielt sie es für angebracht, einfach zu bleiben, wo sie war.
    »Das können Sie laut sagen! Meinen Sie, ich hätte mir diesen ekligen Stall selbst ausgesucht? Will hat mich hier eingesperrt.«
    »Was deutlich zeigt, wofür er dich hält«, sagte die Windfurie. »Ein Schwein, das in einen Stall gehört.«
    Das klingt ja schrecklich, dachte Cordelia. Ob Will wirklich so mies ist? Sie ergriff für ihn Partei: »Aber Will ist kein schlechter Mensch, er versteht nur nicht, dass …«
    »Oh, ich glaube, er weiß sehr wohl, was er tut! Frauen wie wir haben es in dieser Welt nie leicht gehabt, Cordelia. Und das hat seinen Grund.«
    »Na ja, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht …«
    »Das solltest du aber! Wir stellen eine Bedrohung dar. Und das wissen die Männer. Ursprünglich waren sie die besseren Jäger, also haben wir das Jagen den Männern überlassen. Wir brauchten ihre starken Arme, weil sie leichter mit Pfeil und Bogen umgehen konnten. Wir brauchten ihre schnellen Beine, um wilde Tiere zu jagen. Aber die Zeiten haben sich geändert – schon damals, als ich noch ein junges Mädchen war, und heutzutage erst recht. Aus der Jagd nach Nahrung ist ein alltäglicher Ausflug in den Supermarkt geworden. Mittlerweile schaffen wir es ganz allein, unser Zuhause zu verteidigen. Wir brauchen die Männer nicht mehr, und das wissen sie genau. Also ist ihnen jedes Mittel recht – Lügen, Betrügereien, Mord –, um zu verhindern, dass wir uns gegen sie erheben.«
    »Wir?«, fragte Cordelia.
    »Menschen wie du und ich«, erklärte die Windfurie. »Die intelligenten Frauen dieser Welt.«
    Cordelia lächelte überrascht. Es war lange her, dass jemand sie als

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