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Der Fluch des Denver Kristoff

Der Fluch des Denver Kristoff

Titel: Der Fluch des Denver Kristoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Vizzini , Chris Columbus
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Seifenblasen-Kugel vor ihnen. Doch dieses Mal war außer einem hellen Lichtschein nichts darin zu sehen. Kein Bild, nichts. Die Kugel blieb leer.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Will. »Soll das heißen, meine Eltern sind tot?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Cordelia ernst. »Ich glaube, es bedeutet, dass du keine Eltern hast.«
    »Wie bitte?«
    »Kristoff hat in seinem Roman nichts von deinen Eltern geschrieben. Sie kommen darin nicht vor – mit anderen Worten, sie existieren nicht.«
    Will sah den Schmerz in ihren Augen und doch konnte er die Wut, die plötzlich in ihm aufstieg, nicht unterdrücken. »Das ist doch Unsinn! Ich weiß doch, wie meine Eltern ausgesehen haben, ich sehe sie noch deutlich vor mir!«
    »Bist du sicher?«, fragte Brendan.
    »Mein Pa hatte eine … er hatte eine Glatze, nicht wahr? Nein, graue Haare hatte er … oder waren sie nicht eher rötlich braun? Und Mum hatte … blaue Augen … nein, warte …«
    Will wollte es sich nicht anmerken lassen, aber in seinem Inneren war soeben etwas zerbrochen. Cordelia hatte recht. Dort, wo die Erinnerung an seine Eltern sein sollte, war lediglich ein verschwommener weißer Fleck. Dabei hatte er sie immer deutlich vor sich gesehen. Er konnte sich das alles doch nicht nur eingebildet haben, denn schließlich hatte jeder Mensch Eltern – oder etwa nicht?
    »Pah, Eltern!«, schrie er aufgebracht. »Wer braucht die schon?« Doch dann blieb sein Blick an den drei Kinder hängen: Sie brauchten ihre Eltern. Mehr als alles auf der Welt. Aber sie würden sie niemals zurückbekommen.
    Niedergeschlagen sank er neben sie auf die abgewetzten Schiffsplanken. Dort saßen sie und regten sich nicht, nicht einmal, als Tranquebar von seinem Krähennest aus das erste Zeichen von Tinz gesichtet hatte, eine goldene Kuppel der höchsten Kirche. Unbewegt sahen sie zu, wie die Stadt vor ihren Augen immer größer wurde – unendlich langsam wurde aus einem winzigen Punkt am Horizont ein belebter Hafen. Sie rührten sich nicht, als Holzhäuser, Tavernen, Marktplätze und die Hafenanlagen zunehmend das Bild bestimmten und rauchende Schornsteine und Pferdefuhrwerke, welche die engen Gassen am Hafen verstopften, zu sehen waren.
    Während das Schiff seinen Anlegeplatz ansteuerte und die Piraten nach und nach die Segel einholten, überlegten die Männer lautstark, in welches der zahlreichen Etablissements sie als Erstes einfallen würden. Die Walkers und Will sahen zu, wie die Piraten den Anker auswarfen, sich in die Beiboote zwängten und johlend an Land ruderten.
    Schließlich sagte Cordelia: »Wir sollten gehen. Die Tatsache, dass unsere Eltern nicht mehr bei uns sind, ändert nichts an dem, was sie von uns erwartet hätten. Sie hätten gewollt, dass wir leben. Dass wir unser Ziel erreichen, dass wir …«
    »… uns an der Windfurie rächen«, ergänzte Brendan. Er klang ruhig und besonnen. Seine Schwestern hatten ihn noch nie so entschlossen erlebt.

66
    E leanor konnte gar nicht glauben, dass sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Unter Tranquebars Aufsicht waren sie in einem kleinen Beiboot an Land gerudert worden. Auf dem schmalen Steg und selbst am Strand noch hatte sie unentwegt das Gefühl, dass der Boden unter ihr auf und ab schwankte. Es fühlte sich fast an wie die Seekrankheit, nur eben an Land. Ihr wurde so schwindelig, dass sie sich erst mal hinlegen musste.
    »Was machst du da?«, fragte Brendan.
    »Einen Sandengel«, sagte Eleanor. »Weißt du nicht mehr? Dad hat es uns gezeigt, wenn wir in den Ferien am Strand waren.«
    Brendan lächelte – und ob er sich daran erinnerte! Er ließ sich neben Eleanor rücklings in den Sand fallen und formte mit Armen und Beinen einen Engel. So viel Sand hatte er schon lange nicht mehr in der Nase gehabt! »Sandpopel« hatte er früher immer dazu gesagt. Jedes Mal, wenn er niesen und lachen musste, dachte er an den Kampf gegen die Windfurie. Sie hatte vielleicht seine Eltern auf dem Gewissen, aber ihn hatte sie nicht erwischt. Noch nicht.
    Tranquebar war nicht verborgen geblieben, dass irgendetwas den Kapitän und seinen Vertrauten in tiefe Verzweiflung gestürzt haben musste. Nachdem Will offenbar unter Schock stand, hatte der Erste Maat ihn auf dem Schiff gegenüber der Mannschaft vertreten und blieb auch jetzt in seiner Nähe. »Die Handelspartner werden in ungefähr zwei Stunden hier sein, Captain«, erinnerte er nun Will an seine Pflichten, »und werden sich mit Ihnen treffen wollen … falls Sie sich

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