Der Fluch des Denver Kristoff
dazu imstande fühlen.«
»Selbstverständlich, kein Problem«, sagte Will tonlos.
»Wie steht’s mit Ihnen, Maat Cordelia? Möchten Sie sich nicht die Stadt ansehen?« Tranquebar wies auf das lärmende Stadtzentrum hinter ihnen. Überall aus den Häusern stiegen schmierige Rauchwolken auf.
»Ich bleibe bei Will«, sagte Cordelia und rückte ganz nah an ihn heran. Sie wollte jemanden in ihrer Nähe haben. Jemanden, der verstand, was sie gerade durchmachte.
Trotz der malerischen Kulisse und des herrlichen Wetters blieben die Geschwister und Will noch weitere lange Minuten in ihren düsteren Gedanken gefangen. Doch nach einer Weile hielt Brendan es nicht länger aus.
Er sprang auf. »Ich kann nicht den ganzen Tag hier rumsitzen und über all das nachdenken, was wir gerade erfahren haben«, verkündete er. »Ich will die Stadt erkunden.«
»Ich komme mit«, sagte Eleanor sofort.
»Wir sollten lieber zusammenbleiben«, warnte Cordelia. »In der Stadt könnte es gefährlich sein.«
»Ach, komm schon, Deli«, drängte Eleanor, »wann haben wir uns je von so etwas aufhalten lassen!« Dann hielt sie plötzlich inne und rief: »Ein Pferd!«
In der Ferne sahen sie einen Mann gemächlichen Schrittes am Strand entlangreiten – auf einem wunderschönen cremefarbenen Pferd, einem Palomino, dessen geschmeidige Muskeln sich unter seinem glänzenden Fell abzeichneten.
Eleanor stürmte auf den Reiter zu. »Hallo, Sie! Reiter! Warten Sie! Darf ich Ihr Pferd ansehen?«
»Keine Sorge, ich behalte sie im Auge«, rief Brendan Cordelia über die Schulter zu und lief hinter seiner kleinen Schwester her.
Will legte seine Hand auf Cordelias. »Lass die beiden ruhig gehen. Wir sind die Ältesten. Wir sollten hierbleiben und uns um die Sache mit diesen Geschäftspartnern kümmern, damit wir hier möglichst schnell wieder wegkommen. Falls du immer noch Rache willst.«
Und ob ich das will. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich sie bekommen habe .
Als Brendan seine kleine Schwester einholte, war sie schon mitten in der Stadt, in der Nähe einer Bäckerei und stand mit großen Augen vor dem Pferd. Der hochgewachsene Reiter sah mit besorgtem Blick auf Eleanor herunter.
»Miss, geht es Ihnen gut?«
»Oh ja«, sagte Eleanor. »Ihr Pferd … es ist wunderschön! So eins wollte ich immer haben! Meinen Sie, ich darf es mal reiten?«
»Hast du überhaupt schon mal auf einem Pferd gesessen, Kleine?«
»Ein Mal, bei einer Kirmes. Ach, nein … ich glaube, das war nur ein Pony. Aber das macht nichts. Ich habe keine Angst, nicht, wenn ich mit Ihnen reite.«
Der Mann lächelte. »Da kann ich wohl kaum Nein sagen. Weißt du, wie man aufsteigt?«
»He, Moment mal, Alter …«, setzte Brendan an, doch der Mann beugte sich schon vom Pferd, streckte Eleanor seinen langen Arm entgegen und im nächsten Augenblick saß sie hinter ihm.
»Nell, bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Du weißt doch gar nicht …«
»Ich bin Jacqui«, stellte sich der stolze Reiter vor, »und das hier ist Majesty. Ich bin ihr Ausbilder. Ich habe sie aufgezogen.«
»Ich bin Brendan, und wenn Sie meiner Schwester auch nur ein Haar krümmen, kriegen Sie es mit mir zu tun«, antwortete Brendan und sah ihn aus schmalen Augen streng an.
Er musste ziemlich überzeugend gewirkt haben, denn Jacquis Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. »Ach, ihr … ihr seid von der Muräne?«
»Ja, genau«, sagte Eleanor. »Wir haben gerade eine furchtbare Reise hinter uns.«
»Bitte«, sagte Jacqui und verneigte sich vor Brendan, »verschont mich, mächtiger Bruder. Ich werde gut auf Eure Schwester achtgeben. Sie soll ihre Reitstunde bekommen, danach werde ich sie umgehend zu Euch und Eurem Anführer, Schaman Tranquebar, zurückbringen.«
»Schaman Tranquebar?«, wiederholte Brendan lachend. »Er ist kein Schamane. Er ist Erster Maat …«
»Schaman Tranquebar ist unserer Stadt schon seit vielen Jahren bekannt, Master Brendan. Wir kennen und verehren ihn. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …« Jacqui trieb sein Pferd an und verschwand in den verschlungenen Gassen der Hafenstadt mit der freudestrahlenden Eleanor hinter sich.
Merkwürdiger Typ, dachte Brendan, aber es gefiel ihm, »Master« genannt zu werden.
Neugierig spazierte Brendan allein durch die Straßen der Hafenstadt. Den Gedanken an seine Eltern verdrängte er und er achtete darauf, den Piraten von der Muräne möglichst aus dem Weg zu gehen. Das war gar nicht so einfach, denn sie belagerten jede
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