Der Fluch des Florentiners
Staatssekretär mit seinem Hühnerhabichtgesicht mochte er sowie nicht. Ihm war heute alles egal. In sechs Monaten würde er pensioniert. Jetzt war die Zeit gekommen, zu sagen, was er zu sagen hatte. » Dieser arabische Knirps ist genauso wenig unschuldig, wie es jene Kinder sind, die in Palästina mit Stein- und Metallschleudern israelische Polizisten beschießen und schwer verletzen, Molotow-Cocktails werfen – und dann hinterher von der palästinensischen Propaganda in den Medien weltweit als arme, unschuldige, von brutalen israelischen Soldaten geschundene Kinder präsentiert werden! «
» Ich bitte Sie, Franco … «, wollte der Staatssekretär den in Rage geratenen Beamten unterbrechen. Aber Franco Manzoni fühlte sich plötzlich ungemein wohl bei dem, was er sagte.
» Dieser junge Bursche, der einen Museumswächter und zwei Besucherinnen im Palazzo Pitti in die Luft gejagt hat, ist genauso wenig unschuldig, wie es jene Kinder sind, die von Djihad-Fanatikern ausgebildet werden, mit Sprengstoffgürteln um den Bauch Zivilisten zu töten. Das sind keine Kinder, verdammt, das sind junge Menschen, die in einer von abgrundtiefem religiös-fundamentalistischem Hass geprägten Welt aufwachsen. Nach Jahren gezählt sind e s K inder. Richtig! Aber es sind Täter, die genau wissen, was sie tun, weil alle anderen Menschen in diesen Regionen es ohne jegliches Unrechtsbewusstsein auch tun. Und deswegen ist es für sie legitim, zu verletzten, zu töten – bei vollem Bewusstsein, dass sie töten. Wenn eines von diesen, wie Sie sagen, Kindern in einem fundamentalistischen, nach den Rechtsprinzipien der Scharia regierten Land eine ähnliche Straftat begehen würde, träfe es die geballte Macht der Gnadenlosigkeit Allahs, Herr Staatssekretär! Einem Kind, das dort klaut, wird die Hand abgehackt. Wenn es zu jung ist, das Kind, wird seinem Vater die Hand abgehackt! Denn er ist es, der verantwortlich ist für das Tun seines leiblichen Zöglings. So ist das mit der Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern! «
Staatssekretär Pellini hätte gerne gesagt, dass vieles stimmte von dem, was Commissario Manzoni sagte, aber das durfte er nicht. Seine Direktiven aus dem Justizministerium waren eindeutig und nicht zu diskutieren. Verlegen räusperte er sich.
» Das unterscheidet eben Rechtsstaatlichkeit in Europa von jener in den von Ihnen benannten Ländern. Für unsere moralisch-ethischen Werte und die daraus resultierenden Rechtsprinzipien hat das christliche Abendland jahrhundertelang gekämpft. Franco, wollen Sie, dass wir zurück in die Zeiten der Barbarei, diktatorischen Unrechtssysteme und despotischen Willkürherrschaft fallen? «
» Das ist absurd, Herr Staatssekretär, völlig widersinnig, was Sie da fragen. Natürlich will ich das nicht! Aber es kann auch nicht sein, dass aus jenen Ländern, die sich unseren Rechtsprinzipien nicht verpflichtet fühlen, dass aus solchen Ländern vermeintliche Kinder von ihren Vätern und Verwand ten nach Italien geschickt werden, hier Straftaten begehen, bandenmäßig organisiert klauen, mit Rauschgift handeln – oder, wie jetzt im Palazzo Pitti, Menschen mit Sprengstoff in die Luft jagen, um dann als arme, unschuldige Kinderlein völlig straffrei wieder nach Hause geschickt zu werden. Das unterhöhlt unser Rechtsprinzip, degradiert unsere Kriminalbeamten zu Witzfiguren! Es macht mich und die Menschen dieses Landes zu recht- und hilflosen Hampelmännern – machtlos gegenüber jenen, die unsere demokratischen Prinzipien für ihr Tun skrupellos ausnutzen. Das, Herr Staatssekretär, kann nicht sein! « Der Commissario holte tief Luft, wandte Alberto Pelini demonstrativ den Rücken zu, schaute aus dem Fenster und sprach weiter. Diesmal jedoch sehr ruhig.
» Politische Entscheidungen wie die Erweiterung der Europäischen Union sind eine wunderbare Sache. Ohne Frage. Aber seit die EU wächst wie ein gutartiges Geschwür, ist die Diskrepanz zwischen dem, was in Brüssel oder Rom entschieden wird, und dem, was wir von der Exekutive draußen auf der Straße mitmachen müssen, zu einem kaum mehr zu bewältigenden Problem mutiert. Zehntausende Flüchtlinge strömen aus Nordafrika und vom Balkan nach Italien. Sie wissen selbst, wie dramatisch die Situation in den Auffanglagern ist! Ein nicht unerheblicher Prozentsatz jener, die da als Flüchtlinge kommen, sind kriminelle Elemente. Die kommen, weil sie hier in wenigen Monaten durch Diebstahl und andere Delikte nicht nur das Geld für die Passage auf
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