Der Fluch des Florentiners
sie seinem Vorgesetzten wortlos auf den Tisch gelegt und sich krank gemeldet.
» Nein «, murmelte er am Haupteingang vor sich hin, » hier wird nicht nach Recht gehandelt – nur nach dem Gesetz. Recht und Gesetz sind zwei verschiedene Paar Schuhe an den Füßen einer den aktuellen Geschehnissen hinterherhinkenden Nation. «
Kaum, dass er den Innenhof des Polizeipräsidiums verlassen hatte, holte er sein Handy hervor und rief eine gespeicherte Nummer an.
» Du hast knapp eine Stunde Zeit «, flüsterte er, » um vier Uhr wird der Junge an die marokkanische Botschaft übergeben. Pass auf dich auf! Noch was, Carlo: ich verlasse mich darauf, dass du mich aus dieser ganzen Sache raushältst. «
*
Freiherr Georg Ludwig von Hohenstein hörte dem für die Haftprüfung zuständigen Richter zwar zu, aber seine Gedanken waren woanders. Wie in Trance hörte er die Stimme seines Rechtsanwaltes.
» Natürlich ist meinem Mandanten bewusst, dass er weder den Schuldausschließungsgrund der putativen Notwehr noch den der Erwiderung auf der Stelle geltend machen kann. Mein Mandant stand zur Tatzeit unter Schock. Er war nach den brutalen Geschehnissen mit seiner Frau nicht zurechnungsfähig. Er ist bereit, die Verantwortung für seine Tat zu tragen. Da Sie sein an Eides Statt niedergelegtes Geständnis haben und bei meinem Mandaten fraglos weder die Haftgründe der Flucht- noch der Verdunkelungsgefahr bestehen, stellen wir hiermit den Antrag, meinen Mandanten gegen Kaution aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er ist ein angesehener, rechtschaffener Mann, Familienvater und seit Jahrzehnten Mitglied dieser Stadtg e meinde. Selbstredend wäre mein Mandant auch bereit, seinen Reisepass abzugeben und sich bis zur Gerichtsverhandlung regelmäßig bei der nächsten Polizeidienststelle zu melden. «
Bei dem Stichwort Reisepass schreckte Freiherr von Hohenstein aus seinen Gedanken hoch. Das wäre schlecht, wenn ich den Reisepass abgeben müsste, schoss es ihm durch den Kopf. Es wird zwar kein allzu großes Problem sein, sich gefälschte Dokumente zu besorgen, sein Geschäftspartner Dimitri in Moskau könnte da sicherlich behilflich sein. Es würde jedoch seine Pläne fraglos sehr erschweren, wenn er sich regelmäßig bei einer Polizeidienststelle melden müsste. Nein, das wäre alles andere als gut. Es war absehbar, dass er längere Reisen unternehmen müsste. Vielleicht in den Nahen Osten, vielleicht nach Nordafrika. Dafür musste er flexibel und mobil sein.
Gespannt starrte er den Richter an. Er kannte Friedhelm Ringmann gut. Seit Jahren spielten sie zusammen Golf und waren beide Mitglieder im Lions Club. Friedhelm schaute ihn an. Ihm war anzusehen, dass ihm die Situation peinlich war. Freiherr von Hohenstein lächelte ihn kurz an und war nicht wirklich überrascht, wie Friedhelm Ringmann, Richter am Landesgericht Sigmaringen, schließlich entschied.
» In Anbetracht der Tatsache, dass Freiherr von Hohenstein sein Geständnis unter Eid bestätigt hat und seitens der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte dafür gesehen werden, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entziehen wird, ordne ich hiermit an, dass die Untersuchungshaft des Freiherrn Georg Ludwig von Hohenstein gegen Zahlung einer Kaution von einhunderttausend Euro mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird. «
Georg von Hohenstein triumphierte innerlich. Nun stand seinem Plan nichts mehr im Wege. Er war auf freiem Fuß. Klara war in der psychiatrischen Privatklinik eines gemeinsamen Freundes gut aufgehoben. Jetzt galt es zunächst, über Freunde bei den Sicherheitsbehörden mehr Details über die Täter und ihre eventuellen Hintermänner in Erfahrung zu bringen. Das würde kein Problem sein. Sein Anwalt hatte Akteneinsicht, auch in die Ermittlungsakten der Kriminalpolizei. Alles Weitere würde er über einen Studienkollegen, der beim bayrischen Innenministerium in leitender Position war, erfahren. Er wollte Rache, Genugtuung! Seit er erfahren hatte, dass der von ihm erschossene Fahrer des BMW keine Narbe am Bauch hatte, folglich nicht der Vergewaltiger gewesen sein konnte, trieb ihn nur noch ein Gedanke an: den Schmächtigen zu finden und ihn zu töten. Georg Ludwig von Hohenstein wunderte sich noch imme r d arüber, dass es nicht der schmächtige Araber gewesen war, dem er laut Polizeibericht in die Schläfe geschossen hatte. Er war sich absolut sicher gewesen, in dem Fahrer des Wagens den Vergewaltiger seiner Frau erkannt zu haben. Ganz egal, dachte er jetzt. Einer ist
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