Der Fluch des Florentiners
langnasigen Burgunder so anzustarren? «, rissen die Worte ihrer Freundin sie aus ihrer sprachlosen Begeisterung. Sie wandte sich um. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Das viele Gold, all die unschätzbar wertvollen Edelsteine, die atemberaubend schönen Gewänder und die Porträts der burgundischen Herzöge hatten sie in eine andere Welt versetzt. Christiane stand vor einer Vitrine. In der für sie so typischen Trotzhaltung, einen Arm in die Hüfte gestemmt, den Kopf leicht nach hinten geworfen und mit funkelnden Augen, grinste sie Marie-Claire an.
» Schau mal! « Mit einer leichten Kopfbewegung wies sie auf die Vitrine. Marie-Claire de Vries wusste zunächst nicht, um was es ging. Langsam kam sie näher und starrte auf den Glaskasten. Ihre Augen weiteten sich. Ungläubig sah sie Christiane an. Ihre Freundin grinste triumphierend.
» Hier fehlt ja ein Exponat! «
Marie-Claire hauchte die Worte kaum hörbar vor sich hin. Sie starrte dorthin, wo laut Ausstellungskatalog ein Kreuz stehen sollte, ja müsste. Ein etwa vierzig Zentimeter großes, laut Bildern und Beschreibung mit Perlen, Saphiren und Rubinen besetztes goldenes Kreuz. Das Schwurkreuz der Ritter vom Goldenen Vlies. Jenes Kreuz, auf das die Ritter des Ordens seit der Ordensgründung ihren Eid ablegten. Aber das Kreuz war nicht da!
Stattdessen stand auf einem kleinen Schild mehrsprachig zu lesen, dieses Exponat sei wegen Restaurationsarbeiten für kurze Zeit leider nicht verfügbar.
» Schade «, murmelte sie zu ihrer Freundin gewandt. Sie war maßlos enttäuscht. » Hast du eine Ahnung, wann es aus der Werkstatt zurückkommt? «
Verwundert stellte Marie-Claire de Vries fest, wie ihre Freundin sie plötzlich seltsam ernst ansah. Dann grinste sie schelmisch und sprach auffallend leise.
» Das Schwurkreuz wird nicht restauriert! Es ist gestern Abend in einer ziemlich spektakulären Aktion von einem Sicherheitsdienst hier abgeholt worden. Ich habe das eigentlich nur mitbekommen, weil du mich gestern am Telefon auf die Ritter vom Goldenen Vlies angesprochen hast. Deshalb haben bei mir alle Glocken geklingelt, als sich mein Chef heute Morgen darüber echauffierte, dass eins der prächtigsten Kunstwerke der Wiener Schatzkammer auf so seltsame Art und Weise aus dem Museum geholt wurde. Ich habe dann natürlich ein wenig nachgefragt, was da abläuft und wo dieses Ding denn hingebracht wurde. «
Gebannt lauschte Marie-Claire ihrer Freundin. Plötzlich war es wieder da, dieses Gefühl, dieses Kribbeln im Bauch, das sie vor einigen Tagen zum ersten Mal verspürt hatte, als sie sich durch die Unterlagen über den Florentiner und über den Orden vom Goldenen Vlies gearbeitet hatte. Irgendetwas Mystisches, Geheimnisvolles und Außergewöhnliches hing an diesem Auftrag, den sie von ihrer Zentrale bekommen hatte.
» Und? «, fragte sie. » Wo ist das Kreuz jetzt? Wer ist so einflussreich, dass er dieses unvorstellbar wertvolle Kreuz hier aus der Wiener Schatzkammer rausholen darf? «
Christiane Schachert lächelte geheimnisvoll. Sie genoss es zu sehen, wie ihre Freundin Marie-Claire vor Neugierde fast platzte.
» Hm «, zögerte sie die Antwort absichtlich hinaus, » das kostet dich mindestens einen Wochenendaufenthalt in einem Fünf -S terne-Hotel – inklusive Massagen, natürlich! Diese Sache hier ist heiß, sehr heiß … «
» Du bist gemein! «, zischte Marie-Claire de Vries und funkelte vermeintlich böse mit ihren blauen Augen. » Also gut, wenn die Information wirklich so toll ist, reiche ich bei Christie ’ s in London einen Antrag auf ein Informationshonorar ein, mit dem du dein Wellness-Hotel bezahlen kannst. Aber nur, wenn es eine Topinformation ist. Und jetzt sag schon! «
» Weißt du, was morgen für ein Tag ist? «, flüsterte Chrissie. Marie-Claire de Vries wollte gerade ungehalten auf diese Geheimnistuerei reagieren, als ihre Freundin weiter flüsterte und sich dabei geheimnisvoll im Raum umschaute. » Morgen ist Andreastag – der 30. November! «
Marie-Claire schaute verdutzt. Sie verstand nicht.
» Der Geburtstag des heiligen Apostels Andreas! «
Die Historikerin starrte ihre Freundin geradezu vorwurfsvoll an, als sei sie entsetzt, dass diese den Zusammenhang nicht sofort erkannte. Triumphierend meinte sie: » Ach, meine Liebe! Ihr Experten von den Auktionshäusern habt wirklich ein sehr eingeschränktes Allgemeinwissen! Wirklich sehr traurig! Der Apostel Andreas ist der Patron des Hauses Burgundi «
Marie-Claire war
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