Der Fluch des Florentiners
zu, dass du schnell schwanger wirst und Jungs auf die Welt bringst! Mädchen können leicht den Untergang einer Dynastie herbeiführen. Und zum Ritter dieses edlen Ordens werden sie bekanntlich auch nicht geschlagen. «
Wieder musste sie so laut lachen, dass ein Museumswärter sie mit grimmiger Miene zur Ruhe ermahnte. Marie-Claire war von ihrer Freundin restlos begeistert. Chrissie war einfach genial! Sie konnte mit wenigen Worten Dinge unglaublich prägnant auf den Punkt bringen. Wie Giftpfeile schossen Wahrheiten manchmal aus ihrem Mund. Wenngleich sie den historischen Wahrheitsgehalt dieser These ihrer Freundin nicht wirklich beurteilen konnte, so merkte sie doch, dass Christiane sich mit den Verknüpfungen des Vlies-Ordens mit dem Hause Habsburg sehr gut auskannte. Da ihre bisherigen Recherchen schon gezeigt hatten, dass die Historie des Florentiner-Diamanten sehr eng mit der Geschichte der Habsburger verknüpft war, ahnte sie, dass sie da s W issen ihrer Freundin noch oft in Anspruch nehmen würde. Christiane war mittlerweile schon einige Schritte weiter gegangen. Sie wirkte plötzlich sehr nervös.
» Komm, ich habe nicht mehr viel Zeit«, wandte sie sich um. »Ich denke, ich habe noch eine sehr große Überraschung für dich.«
Marie-Claire fühlte sich von der Pracht der Schatzkammer überwältigt, merkte, wie sie fast geduckt und unterwürfig, von grenzenloser Ehrfurcht erfüllt die nächsten Räume durchschritt. Nur kurz verharrten sie in Raum fünf vor einem Gemälde des berühmten französischen Porträtisten des europäischen Hoc h adels, Jean Baptiste Isabey, das Kaiser Napoleon zeigte.
» Der hat den Florentiner ebenfalls besessen «, sinnierte Marie -C laire laut und ergänzte: » Hat ihm scheinbar auch kein Glück gebracht. «
So eilig ihre Freundin Christiane es auch hatte, so stur war Marie-Claire, als sie Raum acht betraten.
» Warte, du hektische Pressetante «, zischte sie. » Hier kann ich nicht so einfach vorbeirasen. Das hier ist eines der großen Mysterien dieser Schatzkammer. Es ist ein Wunder – für mich jedenfalls! «
Zielstrebig ging sie auf eine in fahlem Licht optisch beeindr u ckend präsentierte Vitrine zu und blieb davor stehen. Die » Achatschale « zählt zu den beiden als unveräußerlich deklarie r ten Erbstücken des Hauses Österreich. Das samt Handgriffen sechsundsiebzig Zentimeter breite Kunstwerk war von Meiste r hand aus einem mächtigen Achatsteinblock herausgearbeitet worden und gilt als die größte gemmoglyptische Schale der Welt. Ein Prachtwerk, um das sich ebenfalls unzählige Lege n den und Mythen ranken. Auch Marie-Clair e w ar immer wieder aufs Neue von der geheimnisvollen Aura der Schale gefangen. Nicht nur die einzigartige Größe des Steins und die meisterhafte Formgebung der Schale hielten sie in Bann. Es waren mehr die vielen Quellen, die von einem Naturwunder, einer rätselhaften Inschrift in der Schale sprachen. Nicht von des Künstlers Hand eingeritzt oder gar aufgemalt, sondern in der Substanz des Steins, in seiner Maserung erscheint unter besonderen Lichtve r hältnissen unter anderem das mystische Schriftzeichen KRISTO oder XRISTO! Schon vor Hunderten von Jahren, aber auch in der Neuzeit hatten sich Gelehrte und renommierte Wissenschaf t ler mit diesem Phänomen beschäftigt. Mal wurde geunkt, die Inschrift sei gar nicht vorhanden. Dann aber war im Jahre 1951 bei Reinigungsarbeiten die Inschrift wieder zu sehen. Dass die Achatschale der Heilige Gral sei, in dem das Blut Christi bei seiner Kreuzigung aufgefangen worden war, wurde ebenso behauptet, wie Mystiker darauf hinwiesen, dass es bei Lukas 19,40 hieß: » Wenn diese schweigen, werden die Steine rufen! «
Marie-Claire erschauerte innerlich. Gänsehaut lief ihr den Rücken hinunter. Für sie stellte sich bei dieser einzigartigen Achatschale nicht die Frage der wissenschaftlichen Beweisführung für die Existenz der Inschrift. Ihr fraglos sehr gläubiger Professor hatte ihr zum Ende ihres Studiums etwas gesagt, was sie nie vergessen hatte und was seither ihre Grundeinstellung zu Kunst und zu dieser mystischen Achatschale maßgeblich prägte: » Das Erkenntnisvermögen muss sich immer an dem orientieren, was es sehen will! Nur ein Auge, das dazu fähig ist, kann das Wunder sehen. Die Natur ist eine Selbstoffenbarung des Schöpfers. Daher kann nur ein von Gott begnadeter Künstler leblose Materie mit den Mächten der Seele einen. «
» Träumst du? «
Die Worte ihrer Freundin rissen sie aus
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