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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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Schönen! « Verwirrt schaute sie nochmals auf das Deckblatt. Ja, das hatte offensichtlich Gregor geschrieben – unglaublich! Ihre Augen blieben an Schlagwörtern hängen, die sie bislang noch nie gelesen hatte: » Realpräsenz Jesu Christi in den gewandelten Gestalten des Altarsakraments … der allein selig machende Charakter der katholischen Kirche. « Was sollte das heißen? Sie schüttelte den Kopf. Weiter stand da: » … es wäre scheinheilig, sich katholisch zu nennen und nicht gleichzeitig gegen die höllischen Pervertierungen zu kämpfen und uns vor dem fanatischen Liberalismus zu hüten … «
    Marie-Claire konnte nicht glauben, dass diese Termini aus dem Mund jenes Mannes stammten, der heute Nacht neben ihr im Bett gelegen hatte. War das Gregor? War das sein zweites, sein wirkliches Ich? War er das, was sich in diesem Tex t » milites christiani « – christliche Soldaten nannte? Was wollte er, was wollten diese Leute, für die er diese Rede hielt? Sie las die markierte Zeile nochmals: » Die Demokratie hat wieder gesiegt! Nein, lautet unsere Antwort! «
    Marie-Claire zuckte zusammen. Sie hatte ein Geräusch gehört. Kam Gregor bereits zurück? Nein, sie hatte sich getäuscht. Mit zitternden Händen blätterte sie vor, zurück, vor , schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. Diese Rede war der verbale Rundumschlag eines ultrakonservativen, in gewisser Hinsicht sogar antidemokratischen Menschen! Kein Zweifel: Hier schrieb ein christlicher Fanatiker. Und ein Neo-Monarchist!
    » Nicht zu fassen, so ein abstruses Zeug «, murmelte sie vor sich hin. Schließlich fand sie eine Passage, aus der sie glaubte entnehmen zu können, um was es bei diesem Vortrag eigentlich ging: » Der Staat, in dem sich diese Idee verkörpert, ist die alte habsburgische Doppelmonarchie … Und wie das Reich Gottes sein himmlisches Jerusalem hat, hat das Heilige Römische Reich sein irdisches Jerusalem. Das ist Wien … die dortige Karlski r che ist der neue Tempel Salomons und Wien das kaiserliche Jerusalem … die Idee einer europäischen Eidgenossenschaft – Österreich als deren Zentrum … denn Österreich ist zum irdischen Exil des in Transzendenz entrückten, verklärten Reichs geworden. «
    » Er ist verrückt! «, presste Marie-Claire entsetzt hervor. Das war das extremistisch-monarchistische Gedankengut eines Ewiggestrigen, absurde Fantasien von einer » Österreich -I dee «, von einem Orbis Europaeus Christianus. Marie-Claire konnte ihre Blicke nicht von dem Manuskript wenden. Sie war völlig außer sich. Gregor – und mit ihm diese Leute – waren irre Fanatiker! Was waren das für Menschen, die solch wahnwitzige Ideen hatten? Ihr wurde schlecht. Plötzlich erinnerte sie sich seines seltsamen Gesichtsausdruckes, als sie am vorherigen Abend gemeint hatte, dass sie ihre Position als Frau in einer Beziehung nicht als Kinder hütende Mutter, sondern als berufstätige, gleichberechtigte Partnerin definiere. Er hatte recht verdutzt dreingeschaut, aber nichts gesagt. Jetzt wusste sie, warum. Jetzt ahnte sie, wer Grego r F riedrich Albert von Freysing wirklich war, was sich hinter seiner Fassade aus Reichtum, Charme und Koketterie wirklich verbarg. Er war ein Machtmensch! Er war wie ihr Vater: machtbesessen, skrupellos und gefühlskalt. Ihr Vater konnte ebenfalls wie ein galanter, feinfühliger, weltoffener und liberaler Mensch wirken. Doch das tat er nur, wenn er es wollte und wenn es ihm etwas nutzte. Gänsehaut lief ihr über den Rücken und breitete sich über ihren ganzen Körper aus. Noch vor wenigen Stunden hatte dieser Mann sie ausgezogen, hatte ihren Körper berührt, sie liebkost. Beinahe hätte sie mit ihm geschlafen! Er hatte sie vorgeführt wie ein kleines Mädchen! Er hatte mit ihr gespielt – und ihr in kürzester Zeit entlockt, worin ihre wahre Aufgabe bei Christie ’ s bestand. » Verfluchter Scheißkerl! «, artikulierte sie ihre tiefe Enttäuschung und Wut.
    Heftig atmend legte sie das Manuskript zur Seite. Sie wollte nur noch weg, weg vom Wörthersee, weg von Gregor. Nein, sie brauchte nicht weiterzulesen. Oder doch? Schnell las sie die letzten drei Seiten der Rede nach auffälligen Passagen durch. Sie fand, was sie hoffte zu finden! » Burgund « stand dort in großen Lettern, gedacht als Stichwort für das Resümee der Rede.
    » Nein …! «, entfuhr es ihr so laut, dass sie ängstlich aufschaute, ob sie wirklich noch alleine in der Bibliothek sei. Dann las sie flüsternd vor sich hin, was Gregor

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