Der Fluch des Florentiners
zu, stieg im Fond ein und wies den Taxifahrer an, zum Hotel Imperial zu fahren.
» Bokra … Insch Allah «, murmelte er genervt und war sehr erstaunt, dass der Fahrer ihm in perfektem Arabisch mit türkischen Akzent antwortete: » Hier in Wien hilft dir Allah nicht sehr. Ist besser, mein Freund, wenn du dir im Klaren darüber bist, dass Ausländer und vor allem Moslems in diesem Land nicht bei allen Menschen sonderlich beliebt sind. «
Demonstrativ deutete der Fahrer an der Auffahrt zur Autobahn in Höhe der Tankstelle auf ein zerfranstes Werbeplakat. Abdel Rahman blickte aus dem Fenster. Ein Mann mit auffallend blauen Augen blickte von dem Plakat herab, auf dem in großen Lettern geschrieben stand: » Deutsch – statt Nix verstehen «. Hundert Meter weiter war der gleiche Mann vor dem Hintergrund eines historischen Gemäldes, das einen martialisch dreinblickenden Mann auf dem Pferd zeigte, zu sehen.
» Worum geht es auf diesem Plakat? «, fragte Abdel Rahman den Fahrer.
» Die sind von der letzten Wahl hier hängen geblieben «, erklärte dieser. » Der Mann auf dem Pferd ist Prinz Eugen. Der hat vor ein paar hundert Jahren die Türken besiegt und vertrieben. Und das will dieser Politiker da mit den blauen Augen wohl auch. «
Abdel Rahman fühlte sich zwar irgendwie belästigt von dem redseligen Türken, und als » Freund « mochte er auch nicht bezeichnet werden. Dann aber dachte er sich, dass es viel leicht für seinen Aufenthalt in Wien hilfreich sein könnte, einen ortskundigen und Arabisch sprechenden Menschen, zudem noch einen Taxifahrer zu kennen. In der misslichen Situation, in der er sich ohne Kreditkarte und mit nur wenig Bargeld befand, waren solidarische Helfer sicher von Nutzen. Widerwillig signalisierte er seine Kommunikationsbereitschaft.
» Du bist Türke? «
» Ja, mein Freund, ich bin Türke – Kurde! Schon seit zehn Jahren hier. Aber ich weiß nicht, ob ich hier bleiben will. Ist eine schöne Stadt. Aber die Menschen … viele mögen keine Ausländer. Der da mit den blauen Augen hat das zu seinem Wahlkampfthema gemacht und fast fünfzehn Prozent der Wiener scheinen seiner Ansicht zu sein, was Ausländer betrifft. Das ist kein gutes Gefühl, mein Freund! Fünfzehn Prozent von zwei Millionen Wienern – das sind dreihunderttausend Menschen in dieser Stadt, die gut finden, was dieser Politiker und seine Partei denken. Sie haben Angst vor Fremden und vor Fremdem. Sie wissen nichts über uns Moslems. Seit es Osama bin Laden gibt, sehen sie, glaube ich, in jedem Moslem einen Terroristen! Sehe ich etwa aus wie ein Terrorist, hm? Ich habe vier Kinder. Alle sind sie hier geboren, haben die österreichische Staatsangehörigkeit. Es sind gute Kinder … «
Der Fahrer schaute durch den Rückspiegel seinen Fahrgast in dem eleganten Anzug an, an dessen Handgepäck er den Anhänger der ersten Klasse der Austrian Airlines bemerkt hatte.
» Na , und du, mein Freund, siehst ja nun auch nicht gerade wie ein Terrorist der Al Kaida aus.«
Richard Kristoffs hatte die Situation nicht mitbekommen. Er war mit seinen Töchtern hinten im Fond des Wagens beschäftigt gewesen, als seine Frau mit aller Kraft auf die Bremse getreten hatte. Er prallte mit seinen Knien gegen das Armaturenbrett. Es tat höllisch weh. Schmerzerfüllt starrte er erst seine Frau an, erkannte dann die Zusammenhänge und wollte dem Mann auf dem Zebrastreifen unflätige Schimpfworte zubrüllen. Aber er tat es nicht. Völlig entsetzt starrte er den ungefähr fünfundvierzi g jährigen Mann in dem sommerlichen Jackett durch die Windschutzscheibe hindurch an. Er erkannte ihn sofort. Er sah dessen eigentümliche Schulterhaltung, etwas nach vorne gebeugt, den Arm leicht angewinkelt. Ja, er war es!
» Wahnsinn! Absoluter Wahnsinn … «, flüsterte er so leise, als könne der da draußen ihn hören. Seine Frau schaute ihn fragend an. Richard Kristoffs wühlte hektisch in seiner Jackentasche, zerrte sein Handy hervor. Zitternd ging er den Nummernspe i cher durch und fluchte dabei. » Scheiße, Scheiße … wo habe ich nur diese Nummer gespeichert. Wie hieß dieser Typ bloß noch mal? «
Schließlich fand Richard Kristoffs, was er suchte. Nervös drückte er die automatische Wahltaste. Eine Frauenstimme meldete sich.
» Hier ist Kristoffs, Flugkapitän Richard Kristoffs. Ich muss dringend Herrn Poll, Dr. René Poll von der Terrorismusfah n dung sprechen. Es ist eilig. Sehr eilig … Mist, verfluchter! Dann sagen Sie ihm, dass ich angerufen
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