Der Fluch des Florentiners
einem Einkaufsgutschein der Austrian Airline über zweihundert Euro in der Hand stand er nun vor dem Flughafen und fror. Wenn er die Stewardess richtig verstanden hatte, würde der nächste Flieger aus Marokko erst in zwei Tagen eintreffen. Dann würde der vermutlich in Casabla n ca verloren gegangene Koffer in sein Hotel in Wien nachgeliefert werden. Das Problem war nur, dass er nicht genau wusste, ob er dann noch in Wien sein würde.
» Merde, Merde! «, fluchte er laut. So etwas war ihm noch nie passiert. Der Blick der Bodenstewardess hatte ihm wieder einmal bestätigt, wie hilflos ein Mensch in Europa war, wenn er keine Kreditkarte besaß. Man sah, dass sie ihm nicht so recht glauben wollte, dass er seine Kreditkarten versehentlich in den Koffer gesteckt hatte. Wer packt seine Kredit karten schon in den Koffer! Auch er würde in einem solchen Fall stutzig werden. Glücklicherweise hatte er in seinem Handgepäck sowohl eine Kopie seines Passes als auch der Kreditkarte auf den Namen Abdel Rahman. Das hatte seine Haut gerettet.
Die ganze Sache war ihm mehr als peinlich, zumal er sehr wohl eine Kreditkarte besaß, sie aber nicht benutzen konnte. Mit Schrecken war ihm am Schalter in allerletzter Minute aufgefallen, dass er versehentlich die falsche Kreditkarte, jene mit seinem syrischen Aliasnamen, eingesteckt hatte. Die Situation beunruhigte ihn. Er hatte kaum Geld in der Tasche. Einen warmen Pullover und ein T-Shirt konnte er sich damit kaufen, mehr nicht. Wie sollte er aber das Hotel bezahlen?
Noch immer wütend, stellte er den Kragen seines Jacketts hoch. Der kalte Abendwind ließ ihn frieren. Als er losgeflogen war, hatte das Thermometer in Marrakesch am Flughafen noch zwanzig Grad angezeigt. Hier waren es kaum mehr als fünf Grad. Missmutig zog er sein Handy aus der Tasche und wartete, bis er Empfang hatte. Die Vorwahl 0044 war ständig besetzt. Schließlich gelang es ihm nach zehn Minuten, jene Nummer in London zu wählen, die er auswendig kannte. Er war sehr erleichtert, als sein Kontakt sich sofort meldete.
» It ’ s me! Ich stecke in einer blöden Situation. Ich bin in Wien am Flughafen, mein Koffer ist weg. Ich brauche dringend Geld «, erklärte er dem Mann am anderen Ende seine missliche Situation und bat ihn, dringend das auf den Namen Abdel Rahman im Hotel Imperial in Wien gebuchte Zimmer per Kreditkarte im Voraus zu zahlen. Der Mann in England tobte. Seine Stimme überschlug sich fast, als er seinen Gesprächs partner am Wiener Flughafen einen Dilettanten schimpfte. Abdul Rahman gab ihm insgeheim Recht, doch das Problem musste gelöst werden, und zwar schnell. Seine Finger waren klamm. Er fror erbärmlich. Wieder wählte er eine Nummer, diesmal mit der Vorwahl 0021244. Eine arabische Stimme meldete sich. Wieder erklärte er seine peinliche Situation. Erschrocken stellte er fest, wie schwer es war, eine solche Lage und seine Bitte um Übersendung seiner Kreditkarte auf den richtigen Namen durchs Telefon hindurch zu erklären und sich dabei an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten. Das war wirklich schwer! Aber er musste immer davon ausgehen, dass sein Handy oder der Anschluss in Marrakesch von der Polizei oder von Nachrichtendiensten abgehört wurde. Nach welchen Kriterien die unzähligen Spionage -S atelliten der westlichen Geheimdienste programmiert waren, wusste kein Mensch. Er war zwar ziemlich sicher, dass sie noch unentdeckt waren, aber es galt, vorsichtig zu sein. Die Operation war jetzt in einer sehr kritischen Phase. Was sollte er machen? Zurückfliegen ging nicht. Also musste er an seine Kreditkarte herankommen, an jene mit dem richtigen Namen, also jenem Namen, der jetzt in seinem Pass stand und auf den er eine Aufenthaltserlaubnis im Pass eingetragen hatte.
Zehn Minuten dauerte das Telefonat. Dann war er sich sicher, dass Faisal wusste, was er zu tun hatte, damit seine Kreditkarte schnellstmöglich per Kurierdienst nach Wien gelangen würde. Völlig durchgefroren steckte er sein Handy ein und ging in Gedanken versunken in der Dunkelheit zu dem gegenüberliegenden Taxistand. Plötzlich hörte er Autoreifen quietschen. Der dunkle Wagen, ein Van, stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt auf dem Zebrastreifen. Ein e F rau saß hinter dem Steuer. Sie hupte wie wild, zeigte ihm zornig einen Vogel. Im Wagen saßen noch ein Mann und drei Kinder. Er konnte sie nur schemenhaft erkennen. Völlig verstört signalisierte er durch eine Handbewegung, dass es ihm Leid täte. Dann ging er auf ein Taxi
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