Der Fluch des Khan
durchlaufen, bis eine Unterwasseraufnahme von einem großen Stein auftauchte. Es war ein rechteckiger Granitblock, auf der einen Seite schmal zulaufend, mit zwei Löchern in der Mitte.
»Wenn der Bewuchs weg ist, sieht er fast genauso aus wie das Ding auf Summers Video«, bestätigte Dahlgren, nachdem er die beiden Aufnahmen miteinander verglichen hatte.
»Ja, er hat nicht nur die gleiche Form, sondern auch ungefähr die gleiche Größe«, stellte Dirk fest.
»Okay, ich geb mich geschlagen«, sagte Summer. »Was ist das?«
»Ein Anker«, erwiderte Dirk. »Beziehungsweise ein steinernes Gewicht, in das ein Enterhaken oder Dregganker eingepasst wurde. Als Blei und Eisen noch rar und kostbar waren, stellte man Anker vorzugsweise aus Holz und Stein her.«
»Damit sprichst du auf die Anfänge der Seefahrt an«, sagte Dahlgren.
Dirk nickte. »Das ist ja das Spannende dabei. Summers Anker sieht genauso aus wie der hier«, sagte er und deutete auf den Bildschirm.
»Darüber sind wir uns einig«, sagte Summer. »Aber woher kommt er? Was für ein Wrack hat man vor Malaysia geborgen?«
»Tja«, sagte Dirk und scrollte weiter, bis er auf eine Computergrafik stieß, die ein viermastiges Segelschiff darstellte. »Was haltet ihr von einer chinesischen Dschunke aus dem dreizehnten Jahrhundert?«
34
E ine Woche nach der Feuersbrunst bei Ras Tanura verdeckten noch immer ölige Qualmschwaden den Himmel über dem Persischen Golf. Selbst über der Insel Khark, einem felsigen Kalksteineiland, zweihundertachtzig Kilometer östlich von Ras Tanura vor der iranischen Golfküste gelegen, hing dichter brauner Dunst, der ekelhaft nach Petroleum roch.
Nicht weniger giftig als die Luft war das Wasser östlich der kleinen Insel, auf dem ein dicker Ölteppich ständig schwappte.
Die Wasserverschmutzung allerdings wurde durch austretendes und versickerndes Rohöl aus den Hafenanlagen an der Ostseite der Insel verursacht, wo sich eine mächtige T-förmige Transportbrücke mit Liegeplätzen für bis zu zehn Tanker befand. An einer von Menschenhand angelegten Insel vor der Westküste konnten mehrere Mammuttanker Rohöl laden, das aufgrund der Schwerkraft von den auf einer Anhöhe in der Mitte der Insel stehenden Tanks zu den Kais strömte. Khark ist zwar nur ein winziges Eiland – und dennoch das größte Ölterminal des Iran sowie einer der größten Ölhäfen der Welt.
Kurz vor Anbruch der Dämmerung tuckerte ein heruntergekommenes schwarzes Bohrschiff an der Flotte der Tanker vorbei, die in einer Reihe entlang des Terminals im Osten lagen.
Dann drehte das Schiff nach Norden ab, näherte sich der Insel und ging nahe den Klippen an der Nordküste vor Anker. Ein iranisches Patrouillenboot, das die Küstengewässer überwachte, zog vorbei, ohne einen Gedanken an das alte Schiff zu verschwenden, das unter indischer Flagge fuhr.
Auch keiner der Ölarbeiter an Land beachtete es, zumal kurz darauf die Dunkelheit anbrach. Doch jetzt erwachte das Schiff zum Leben. Langsam fuhr es auf und ab und erkundete das schwarze Gewässer, bevor es an der vorgesehenen Stelle die Maschinen stoppte. Strahlruder an Bug, Heck und beiden Seiten sorgten dafür, dass das Schiff durch Wind und Strömung nicht abgetrieben wurde. Im schummrigen Schein der gedämpften Decksbeleuchtung montierte die in schwarze Overalls gekleidete Besatzung ein kurzes Bohrgestänge unter dem Turm und ließ es durch einen offenen Moon Pool im Bauch des Schiffes ab. An seiner Spitze befand sich nicht der übliche Bohrmeißel, vielmehr gab es drei seltsame Zylinder, die miteinander zu einer Art Dreifuß verbunden waren.
Der Dreifuß wurde zum Meeresgrund abgesenkt, dann verschwand die Decksmannschaft, und auf dem Schiff kehrte wieder Stille ein. Doch zwanzig Minuten später ertönte unter dem Schiff ein dumpfer Knall, der von den in der Nähe liegenden Schiffen und den Arbeitern auf der Insel kaum wahrgenommen wurde. Aber fünfzehn Meter tiefer drang eine starke Schallwelle senkrecht in den Meeresboden ein, wurde von der Erdkruste zurückgeworfen und brach sich, ohne Schaden anzurichten. Mit Ausnahme eines Konvergenzpunktes der drei Zylinder, die den Schall auf eine bestimmte Stelle in genau der richtigen Tiefe konzentrierten, wo sich eine Verwerfungslinie befand.
Auf das kurze akustische Bombardement folgte ein weiteres, dann ein drittes. Durch den konzentrierten Schallbeschuss wurden seismische Wellen in die unterirdische Verwerfung gejagt, bis sie der Belastung nicht länger
Weitere Kostenlose Bücher