Der Fluch des Khan
derzeitigen Niveau bleibt, wie viel Zeit haben wir dann, bis die Wirtschaft völlig vor die Hunde geht?«, fragte er und schaute den Wirtschaftsweisen mit einem bohrenden Blick aus seinen dunklen Augen an.
»Schwer zu sagen«, erwiderte der Berater sichtlich nervös.
»Etwa dreißig Tage, bis es zu ersten Werksstilllegungen und den damit verbundenen Massenentlassungen kommt. Wenn die Märkte den ersten Schock verdaut haben, lässt der Preisdruck möglicherweise nach. Aber wir benötigen einen Rückgang um mindestens dreißig bis vierzig Dollar, wenn wir eine schwere Rezession vermeiden wollen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Märkte derzeit auf sehr schwachen Füßen stehen. Ein weiterer Schock welcher Art auch immer, und wir haben es mit einer weltweiten Katastrophe zu tun.«
»Ein weiterer Schock«, sagte der Präsident leise. »Davor bewahre uns Gott.«
36
D ie Sandbank, die Summers Porzellanfigur preisgegeben hatte, sah jetzt wie eine Unterwasserbaustelle aus.
Aluminiumgitter lagen am Meeresboden, gelbe Seile erstreckten sich nach allen Seiten, dazwischen steckten orangefarbene Fähnchen. Aus der anfänglichen Probegrabung am Korallenstock war eine ausgewachsene Bergungsaktion geworden, nachdem Dirk und Summer ein großes Stück Spantholz entdeckt hatten, das einen halben Meter tief im Sand steckte. Weitere Sondierungen bestätigten dann, dass die Porzellanfigur und der Ankerstein nicht achtlos über Bord geworfen worden waren, sondern von einem Wrack stammten, das zwischen zwei Korallenstöcken versunken war.
Herrliche, blau-weiß bemalte Porzellanteller und -schalen, dazu Weihgaben und Jadeschnitzereien, all das deutete auf ein chinesisches Schiffswrack hin. Auch die bislang gefundenen Spantenteile passten von der Bauart her zu einer ausladenden chinesischen Dschunke. Zu Summers Erstaunen, aber auch zu ihrem Leidwesen, hatte die Entdeckung eines alten chinesischen Schiffes in hawaiianischen Gewässern viel Aufsehen erregt.
Medienvertreter aus aller Welt stürzten sich wie Geier auf sie, um an ihre Story zu kommen. Nachdem sie wiederholt die immer gleichen Fragen beantwortet hatte, war sie heilfroh, als sie endlich ihre Pressluftflasche und die Flossen anlegen und in die Unterwasserwelt entfliehen konnte. Die Pressefritzen würden das Interesse an der Suche bald verlieren, das wusste sie, und dann konnten sie die Bergung ungestört fortsetzen.
Summer ließ sich über das Gitterwerk treiben, vorbei an zwei Tauchern, die den Sand von einem großen Holzstück bliesen, vermutlich der Achtersteven. Ein paar Meter weiter hatte man bei einer Bodensondierung ein weiteres großes Holzstück entdeckt, möglicherweise das Ruder. Sie glitt zum Rand der Grabungsstätte, stieß mit ein paar Flossenschlägen an einer Fallleine entlang nach oben und streckte die geballte Faust hoch, bis sie auftauchte.
Summer schwamm ein paar Meter bis zum Fallreep des braunen Eisenprahms, der jetzt über dem Fundort vertäut war, warf die Flossen an Bord und kletterte auf das kleine Boot. Es bestand hauptsächlich aus einem offenen Deck, an dessen einem Ende eine rostige Blechhütte aufragte. Daneben lehnte ein Wandständer voll von Taucherausrüstung, und an der Reling waren ein Generator, eine Wasserpumpe und mehrere Kompressoren aufgebaut. Die beiden Surfboards allerdings, die auf dem Wellblechdach der Hütte lagen, passten nicht ganz zu diesem spartanischen Arbeitsplatz. Sie gehörten Dirk und Summer und zählten zur Standardausrüstung, wenn sie vor Hawaii im Einsatz waren.
»Wie ist das Wasser?«, erkundigte sich Jack Dahlgren mit seinem Texas-Singsang. Er hatte einen Schraubenzieher in der Hand und war über einen Kompressor gebeugt, als Summer ihre Pressluftflasche und die Tauchausrüstung verstaute.
»Wir sind auf Hawaii«, versetzte sie lächelnd. »Wie immer der reinste Genuss.« Sie rieb ihre Haare trocken und ging dann zu Dahlgren.
»Geht’s bald wieder los?«, fragte sie.
»Ich warte nur noch auf die letzte Treibstoff- und Nachschublieferung von der
Mariana.
Wir haben einen Kompressor für den Airlift und zwei weitere für die Luftversorgung von oben.
Damit ist das Tauchen in diesen lauschigen Gewässern ein Kinderspiel.«
»Ich fände es spannender, wenn wir uns mit dem Airlift die letzten Stellen vornehmen, die noch nicht freigelegt sind.«
Bei dem Airlift handelte es sich um eine Art Staubsauger, ein Rohr, in das unten Pressluft eingeführt wurde, sodass ein Vakuum entstand, mit dem man Sand und
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