Der Fluch des Khan
und Antiquitäten geschätzt, bevor sie öffentlich versteigert wurden. Und da er von Kindesbeinen an mit Perlmutter befreundet war, hatte er dem Marinehistoriker regelmäßig einen Tipp gegeben, wenn bei einer anstehenden Auktion interessante Gegenstände aus dem Bereich der Seefahrt angeboten wurden.
»Die Qualität lässt sich schwer ermessen«, begann Eeten. »Ich gebe nur ungern eine Einschätzung anhand einer Fotokopie ab.«
»Wie ich meinen Freund kenne, ist ihm der Wert eher egal. Ich glaube, er interessiert sich vor allem für das Alter und den historischen Zusammenhang.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, erwiderte Eeten, der nun sichtlich gelöster wurde.
»Du weißt also, was es ist?«
»Ja, ich glaube schon. Ich habe ein ähnliches Stück bei einer Auktion gesehen, die wir vor ein paar Monaten durchgeführt haben. Natürlich müsste ich es eigenhändig untersuchen, um seine Echtheit zu bestätigen.«
»Was kannst du mir darüber sagen?«, fragte Perlmutter, der sich in einem kleinen Buch Notizen machte.
»Allem Anschein nach ist es eine seldschukische Arbeit. Der doppelköpfige Adler, ein ziemlich einzigartiges Motiv, war das bevorzugte Symbol der Dynastie.«
»Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, waren die Seldschuken türkische Muslime, die für kurze Zeit einen großen Teil von Byzanz beherrschten«, sagte Perlmutter.
»Ja, sie überrannten etwa um 1000 nach Christus Persien und erreichten rund zweihundert Jahre später den Gipfel ihrer Macht, bevor sie von dem choresmienischen Reich unter Ala ed-Din Mohammed vernichtet wurden. Die Seldschuken waren hervorragende Künstler, vor allem in der Bearbeitung von Steinen, aber auch geschickte Metallhandwerker. Eine Zeitlang prägten sie sogar Silber- und Kupfermünzen.«
»Dann könnten sie diesen Anhänger also hergestellt haben.«
»Auf jeden Fall. Die winzige Kalligraphie entspricht der Gepflogenheit der Seldschuken, die vor allem ihre späteren Metallarbeiten mit islamischen Gebeten oder Widmungen versahen. An der Columbia University gibt es einen Professor, der die Inschrift für dich übersetzen könnte, die vermutlich in Kufisch gehalten ist, einem altarabischen Alphabet. Wer weiß, vielleicht handelt es sich sogar um eine persönliche Inschrift an den Sultan.«
»Hochherrschaftliche Verbindungen?«
»Ja. Weißt du, die Seldschuken haben für ihre Kunstwerke nur selten Silber und Gold verwendet. Diese Materialien galten als Luxusartikel und entsprachen daher nicht dem islamischen Ideal, das großen Wert auf Schlichtheit legt. Natürlich galten diese Regeln nicht unbedingt für die Sultane, von denen einige das Zeug regelrecht horteten. Wenn dieser Anhänger also aus Silber besteht, was der Fall zu sein scheint, dann liegt mit größter Wahrscheinlichkeit irgendeine Verbindung zu einem Herrscherhaus vor.«
»Wir haben es also mit einem seldschukischen Erzeugnis zu tun, das etwa zwischen 1100 bis 1200 nach Christus entstanden ist und möglicherweise aus dem Besitz eines Sultans stammt«, fasste Perlmutter zusammen, während er in sein Buch kritzelte.
»Höchstwahrscheinlich. Die Gegenstände, die wir untersucht und kürzlich versteigert haben, gehörten zu einem Schatz, den man Malik Schah zuschreibt, einem Sultan, der 1092 starb. Ich finde es hochinteressant, dass dein Freund dieses Stück in der Mongolei gefunden hat. Wie ich schon erwähnte, wurden die Seldschuken von den Truppen des Ala ed-Din Mohammed geschlagen, der seinerseits um 1220 von Dschingis Khan besiegt wurde. Das hier könnte durchaus ein Teil der Kriegsbeute gewesen sein, die die Armeen des Dschingis Khan mit nach Hause brachten.«
Ein Kellner kam und brachte ihr Essen, ein Rib-eye-Steak für Eeten und eine Portion Kalbsleber für Perlmutter.
»Ein paar bemerkenswerte Erkenntnisse, Gordon. Ich nehme an, dass nicht allzu viele asiatische Kunstgegenstände aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert auf den Markt kommen.«
»Es ist schon komisch. Normalerweise bekommen wir nur selten Artefakte aus dieser Zeit zu Gesicht. Aber vor etwa neun Jahren wurden wir von einem Händler in Malaysia angesprochen, der ein ganzes Warenpaket verkaufen wollte und uns seither mit einem steten Strom von Kunstwerken versorgt. Ich würde wetten, dass wir in dieser Zeit ähnliche Stücke im Wert von hundert Millionen Dollar verkauft haben. Und ich weiß, dass Christie’s auch schon Artikel in etwa der gleichen Größenordnung versteigert hat.«
»Meine Güte. Irgendeine
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