Der Fluch des Khan
der Konsole auf. Sie trug eine blütenweiße Bluse und einen karierten Wollrock, der bis zu den Knien reichte.
»Guten Tag, Hiram. Ich hab mich schon gefragt, ob du dich heute noch meldest.«
»Du weißt doch, dass ich nicht von dir lassen kann, Max«, erwiderte er. Max war eine Art Wunderwesen, eine Holographie, die er als benutzerfreundliches Interface für sein Computernetzwerk geschaffen hatte. Sie war zwar Yeagers Frau nachempfunden, hatte aber die knackige Figur einer Zwanzigjährigen, ohne jemals zu altern. Für Yeager und alle anderen Mitarbeiter der NUMA war sie zu einer echten Kollegin geworden, auf deren künstliche Intelligenz man sich bei der Lösung schwieriger Probleme verlassen konnte.
»Mit Komplimenten kommt man immer weiter«, gurrte sie.
»Was kommt heute dran? Ein großes Problem oder ein kleines?«
»Sowohl als auch«, erwiderte er. »Möglicherweise musst du die ganze Nacht über ran, Max.«
»Du weißt doch, dass ich niemals schlafe«, sagte sie und krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch. »Womit fangen wir an?«
»Ich glaube«, sagte er und zog das Fax zu sich heran, »wir sollten lieber mit dem Boss loslegen.«
40
D ie Tropensonne stieg langsam über den Lavahügeln und Kokosnusspalmen empor und tauchte das vor Anker liegende Boot in goldenes Licht. An Bord dröhnten die Klänge einer Hawaii-Gitarrenband aus einem Ghettoblaster und übertönten das Summen eines tragbaren Generators.
Summer, Dirk und Dahlgren hatten sich bereits aus ihren Feldbetten in der kleinen Hütte geschwungen und bereiteten sich auf einen langen Arbeitstag unter Wasser vor. Während Dirk die Pressluftflaschen an zwei Generatoren füllte, beendete Summer ihr aus frischen Papayas und Bananen bestehendes Frühstück und trank ein Glas Guavensaft dazu.
»Wer ist zuerst dran?«, fragte sie und blickte auf die ruhige morgendliche See, die sie umgab.
»Ich glaube, Käptn Jack hat einen Arbeitsplan aufgestellt«, sagte Dirk und deutete mit dem Kopf auf Dahlgren.
Dahlgren, der eine Badehose, Gummilatschen und ein Hawaiihemd trug, war über zwei leichte Tauchhelme gebeugt und inspizierte die Atemregler. Den Spitznamen Käptn verdankte er einer verblichenen blauen Mütze mit gekreuzten goldenen Ankern über dem Schirm, wie sie vorzugsweise von reichen Yachtbesitzern getragen wurde. Dahlgrens Kappe hingegen sah aus, als wäre sie von einem M-1-Panzer überrollt worden.
»Aye«, brüllte Dahlgren mit seiner rauen Stimme. »Wir arbeiten in Neunzig-Minuten-Schichten, jeweils zwei Taucher, und wechseln uns nach einer Pause ab. Dirk und ich übernehmen die erste Schicht, danach kommst du zur zweiten Schicht zu mir runter, während Dirk etwas für seine Bräune tut«, sagte er und nickte Summer zu.
»Das erinnert mich an was. Ich habe an Bord dieses Kahns gar keinen Mixer gesehen«, sagte Dirk.
»Ich muss dir leider mitteilen, dass die letzten Rumrationen gestern Nacht aufgebraucht wurden. Zu medizinischen Zwecken«, versetzte Dahlgren.
Als sie Dirks erschrockenen Blick sah, verdrehte Summer die Augen. »Na schön, ihr künftigen Abstinenzler, gehen wir an die Arbeit. Wenn wir mit etwas Glück das Ruder finden wollen, haben wir viel zu graben. Außerdem müssen wir die Alugitter auseinandernehmen und verstauen, und ich würde auch ganz gern etwas essen, bevor die
Mariana Explorer
zurückkehrt, um weitere Gebiete zu untersuchen.«
Dahlgren stand auf, nahm seine Kapitänsmütze ab und schleuderte sie quer übers Deck. Die Kappe flog durch die Luft und traf Summer mitten auf der Brust, doch sie reagierte sofort und fing sie nach dem ersten Aufprall.
»Da«, sagte Dahlgren, »du gibst einen besseren Bligh ab als ich.«
Dirk lachte, Summer lief rot an und warnte ihn dann: »Pass auf, sonst drehe ich dir die Luftzufuhr ab, wenn du unten bist.«
Dirk warf die beiden Kompressoren an und schlüpfte dann ebenso wie Dahlgren in einen dünnen Nasstauchanzug. Beim Tauchen wurden sie von einem der Kompressoren mit Luft versorgt und mussten keine sperrigen Pressluftflaschen tragen, was die Arbeit erleichterte und die Tauchzeit verlängerte. Da das Wasser an dieser Stelle nur knapp zehn Meter tief war, konnten sie theoretisch den ganzen Tag unten bleiben, ohne sich Sorgen wegen der
Bends
machen zu müssen, dieser ungemein schmerzhaften Begleiterscheinungen der Caisson-Krankheit, die durch ungenügende Dekompression auftritt.
Summer holte den Airlift, montierte den Luftschlauch des zweiten Kompressors, dessen Druck sich durch ein
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