Der Fluch des Khan
zwei Schüsse ab und erwischte einen der Wächter am Arm. Dann brüllte der Patrouillenführer einen Befehl, woraufhin die übrigen Reiter auf die Büsche hinter ihnen zusprengten.
Giordino wandte sich an Pitt. »Die kommen wieder. Einen Dollar, dass sie absitzen und zu Fuß angreifen.«
»Vermutlich versuchen sie uns in diesem Augenblick in die Flanke zu fallen«, erwiderte Pitt. Er dachte an Gunn und wollte zu seinem Funkgerät greifen, aber es war nicht mehr da.
Vermutlich war es während des Erdbebens vom Gürtel gerutscht und lag jetzt irgendwo im Dunkeln.
»Hab das Funkgerät verloren«, sagte er und schob einen kurzen Fluch hinterher.
»Ich bezweifle sowieso, dass Rudi uns hier helfen kann. Ich habe nur noch fünf Schuss übrig«, erwiderte Giordino.
Pitt hatte ebenfalls nur noch ein paar Patronen im Colt. Da sowohl Wofford als auch Giordino humpelten, konnten sie sich nicht in aller Eile absetzen. Die Wachen schwärmten höchstwahrscheinlich rund um das Anwesen aus und wollten von drei Seiten auf sie vorrücken. Pitt warf einen Blick zur Tür und kam zu dem Schluss, dass sich im Haus möglicherweise eine bessere Verteidigungsstellung bot. Drinnen war es sonderbar still.
Vielleicht hatten er und Giordino den Posten doch getroffen, und nur Borjin versteckte sich noch da drin.
Pitt kniete sich hin und wollte die anderen gerade zum Eingang führen, als ein Schatten aus der Tür fiel. Im schummrigen Licht meinte er die Mündung einer Schusswaffe zu sehen. Dann raschelte es plötzlich in den Rosenstöcken hinter ihm, und nun wusste er, dass es zu spät war. Die Falle war zugeschnappt, es gab kein Entrinnen. Sie waren in der Unterzahl, hatten zu wenig Waffen, kaum noch Munition und konnten sich nirgendwo verstecken. Folglich mussten sie hier die letzte Stellung halten.
Dann hallte ein dumpfes Grollen von den Berghängen wider.
Es klang ähnlich, aber doch seltsam anders als das Getöse vor dem Erdbeben. Und mit ihm kündigte sich die nächste Katastrophe an.
58
P itt horchte und stellte fest, dass dieses Grollen eher vom Berg oben kam, als aus den Tiefen der Erde. Es war ein Donnerhall, der nicht nachließ, sondern von Sekunde zu Sekunde lauter wurde. Das Getöse schien, als es näher kam, allmählich in ein Rauschen überzugehen. Alle Blicke waren auf das Tor gerichtet, auf das dieses Geräusch allem Anschein nach zuhielt, immer lauter anschwoll, bis es klang, als röhrten ein Dutzend Jumbojets gleichzeitig über die Startbahn.
Inmitten des Getöses hallten entsetzte Rufe vom Tor her, wo die Posten aus ihrer Wachstube gelaufen kamen und hastig das schwere Eisentor aufstoßen wollten. Ihre Flucht wie auch ihre Schreie gingen in einer gewaltigen, alles zermalmenden Wasserwand unter.
Knapp fünfhundert Meter weiter flussaufwärts war durch das Erdbeben ein tiefer, quer zum Ufer verlaufender Riss entstanden, um den das tobende Wasser wirbelnd schäumte, bevor es sich in den Spalt ergoss. Nahe der Einmündung des Aquädukts wurde der ganze Fluss umgeleitet und bahnte sich entlang des höher liegenden Fahrwegs ein neues Bett.
Die Wassermassen waren auf Borjins Anwesen zugeströmt und hatten sich dann in einer weiten Senke gestaut. Eine hohe Berme, eine Art Stufe, die einst als Rampe für den Transport des schweren Geräts zwischen Straße und Aquädukt angelegt worden war, bildete einen Damm in Sichtweite des Anwesens.
Das brodelnde Wasser füllte die Senke und verwandelte sie binnen kurzer Zeit in einen Stausee. Dann sickerten die ersten Fluten über den Rand und spülten eine Rinne aus, die sich rasch bis zum Fuß des Dammes ausdehnte. Kurz darauf brach die ganze Berme zusammen und setzte eine kochende Wasserwand frei.
In einer drei Meter hohen Welle schoss das eisige schwarze Wasser auf das Anwesen zu. Die Torwachen, die die nahende Flut erst wahrnahmen, als es bereits zu spät war, wurden von der Welle zermalmt, als sie ans Tor brandete und sich über die Mauer ergoss. Wieder stauten sich die Wassermassen kurz, rissen dann aber das Tor mit sich und schlugen eine große Bresche in die Mauer. Auf dem Grundstück vereinigten sich die beiden Ströme und schossen in einer immer noch fast zwei Meter hohen Woge auf das Haus zu.
Pitt sah die nahende Wasserwand und erkannte, dass sie nicht davonlaufen konnten, Giordino und Wofford schon gar nicht.
Dann musterte er die Umgebung und erkannte, dass sie nur eine einzige Überlebenschance hatten.
»Haltet euch an den Säulen fest«, rief er.
Die dorischen
Weitere Kostenlose Bücher