Der Fluch des Koenigs
Rand der Klippen ab. Mit einem Schrei breitete er seine Schwingen aus und stieg mit kräftigen Flügelschlägen in den Nachthimmel auf.
Kapitel 24
Adhas verriegelte die Tür hinter ihnen. Die Hände des großen Mannes fuhren sicher und geübt über die verschiedenen Schlösser und Riegel, so als habe er die Bewegungen, gleich einem Ritual, schon hundert Mal vollführt.
„Hält sie das wirklich davon ab hereinzukommen?“, fragte Moa und setzte sich auf einen Stuhl, den Pavae ihr zurechtgerückt hatte.
„Nein“, Adhas schüttelte den Kopf und schob den letzten Riegel vor, „aber es gibt mir ein besseres Gefühl.“
Pavae stand vor einem niedrigen Fenster und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „Es ist sinnlos“, stellte sie mit gerunzelter Stirn fest. „Du weißt genau, dass ich unseren Sohn nicht aussperren kann, wenn er da draußen mit den Verfluchten kämpft.“ Mit diesen Worten drehte sie sich zum Fenster um und öffnete die schweren hölzernen Läden, die es verschlossen. Ein Windstoß fegte durchs steinerne Haus und brachte das Feuer im Ofen zum flackern.
„Pavae“, schimpfte Adhas in mildem Ärger. Seine Augen, die die Farbe von hellgrauen Wolken hatten, wechselten zwischen dem Fenster und der Gestalt seiner Frau hin und her. Durch die geöffneten Läden konnte Moa das Meer sehen. Der Mond hatte sich aus den Wolken befreit und warf seinen langen, zuckenden Glanz über die Wellen.
Pavae ignorierte die Einwände ihres Mannes und verschwand in einem angrenzenden Raum, der durch einen Vorhang vom Wohnbereich getrennt war.
Adhas schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war ebenso von Wind und Wetter gezeichnet wie das der anderen Klippenleute. Er zuckte mit den Schultern, warf Moa einen entschuldigenden Blick zu und ging zum Ofen, auf dem ein Topf mit einer dampfenden Flüssigkeit stand. Seufzend nahm er eine aus Walknochen geschnitzte Schale zur Hand und schöpfte etwas von der heißen Brühe hinein.
Adhas kam zu ihr an den Tisch und stellte die Schale samt eines Löffels vor sie hin. „Bitte, Prinzessin.“ Er wies auf die Brühe, in der einige dunkle Brocken und grüne Streifen schwammen. „Ihr müsst sehr hungrig sein.“
Moa tauchte den Löffel hinein und schnüffelte an der Flüssigkeit, sehr darum bemüht, die Geste nicht unhöflich aussehen zu lassen. Die Brühe roch nach Fisch und Algen und schmeckte leider genau so. Doch es war Nahrung und sie war in der Tat hungrig, und so machte sie sich daran die Schale auszulöffeln.
Während sie aß, schaute sie sich aufmerksam im Raum um. Er war gerade groß genug, um dem Ofen, der gleichzeitig eine Kochstelle war, einige in die Wand gehauene Regale und dem Tisch Platz zu bieten. Außer dem Durchgang, durch den Pavae verschwunden war, gab es noch einen weiteren, der ebenfalls hinter einem ausgefransten, dunkelblauen Vorhang verborgen lag. Neben der schwer verriegelten Haustür lehnten zwei Harpunen an der Wand und an einem Vorsprung hing ein Paar Hosen mit einem sehr hohen Bund und langen Trägern. Von den Hosenbeinen, die ähnlich ölig glänzten wie die Umhänge, die die Klippenleute trugen, tropfte Meerwasser auf den Steinboden.
In der Zwischenzeit war Pavae zurück in den Raum gekommen. In der Hand hielt sie einen Stab, der aussah, als sei er aus einer einzigen blassrosa Koralle gewachsen. Sie durchschritt damit den Raum und stellte den ungewöhnlichen Stab vor das offene Fester. Mit grimmiger Miene drehte sie sich zu Adhas um. „Nun kann keiner der Verfluchten hineingelangen.“
Moa betrachtete den Stab zweifelnd, beließ es jedoch bei dem Blick. Pavae wusste sicher, was sie tat. Sie strahlte denselben Kampfgeist aus wie ihre Tochter.
Augenblicklich senkte Moa den Löffel. „Ich habe Aeshin getroffen.“
Türkisblaue Augen bohrten sich in ihre. Mit einem Mal wich alle Härte aus Pavaes Zügen und machte tiefer Besorgnis Platz. Sie sank neben ihrem Mann auf einen Stuhl. „Wir haben seit zwei Monden nichts mehr von ihr gehört. Wie sah sie aus? Geht es ihr gut? Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet, als der letzte von Herzog Halhans Boten uns keine Nachricht von ihr brachte. Wann habt Ihr sie gesehen?“
Überwältigt von der Furcht, die in Pavaes Fragen mitschwang, wusste Moa zuerst nicht, wie sie antworten sollte. Adhas, der ihre Unsicherheit bemerkte, legte seiner Frau beruhigend einen Arm um die Schultern.
„Ich bin sicher, es geht ihr gut“, sagte er milde und schenkte Moa ein Lächeln. „Aeshin weiß auf sich
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