Der Fluch des Lono (German Edition)
Skinner. »Ich hatte schon diverse höchst eigenartige Dialoge mit ihnen.«
Skinner hatte eine Weile lang geschmollt, nachdem Ralph ihm die Illusion geraubt hatte, für den Rest des Tages einem Produkt professioneller Chemie aus London frönen zu können, aber schließlich akzeptierte er
die Enttäuschung als Resultat eines irrationalen Zerwürfnisses, mit dem man in solchen Kreisen stets zu rechnen hatte.
Nach drei oder vier weiteren Drinks war wieder Verve in seiner Stimme, und er betrachtete die Pinguine mit dem Blick eines Mannes, der allmählich nichts mehr von Langeweile wissen mochte.
»Die beiden sind wie ein Ehepaar«, sagte er. »Der große ist der Gatte und verhökert ihren Hintern für ’ne Handvoll Fisch.« Er warf mir einen Blick zu. »Meinst du, Ralph mag Pinguine?«
Ich betrachtete die Vögel.
»Egal«, sagte er. »Er würde das arme Tier ohnehin umbringen. Diese Engländer ficken doch alles. Die sind pervers, samt und sonders.«
Der Barkeeper kehrte uns den Rücken zu, aber ich wusste, dass er zuhörte. Das starre Lächeln auf seinen Lippen wurde mehr und mehr zur Grimasse. Wie oft mochte er stoisch auf dem Lattenrost gestanden und zugehört haben, wie respektabel aussehende Leute davon sprachen, die Hotel-Pinguine zu vergewaltigen?
»Wie lange soll dieser verfluchte Regen noch anhalten?« , erkundigte ich mich.
Skinner blickte hinaus zum Strand. »Keine Ahnung«, erwiderte er. »Man nennt es ›Kona-Wetter‹. Die Winde drehen sich, und das Wetter kommt vom Süden herauf. Manchmal dauert es neun oder zehn Tage.«
Mir war es ziemlich egal. Im Moment reichte es mir, die Schneeverwehungen auf meiner Veranda in Colorado hinter mir gelassen zu haben. Wir bestellten uns noch zwei Margaritas und plauderten ganz entspannt. Ich behielt den Barkeeper im Auge, während Skinner mir von Hawaii erzählte.
Am ersten Dezembertag (1778) … wurde ihm klar, dass er sich der größten der bisher entdeckten Inseln näherte: Die Eingeborenen nannten sie, wie Cook schrieb, »Owyhee«. Am nächsten Morgen segelten sie dicht vor dem spektakulären Küstenstrich mit seinen gewaltigen Klippen; bewaldete Landzungen ragten weit ins Meer hinaus, schäumende Wasserfälle stürzten in die weiße Brandung, Flüsse ergossen sich aus tief eingeschnittenen Tälern. Im Inland sah man tiefe Schluchten mit donnernden Sturzbächen und eine Landschaft, in der sich Kargheit und üppige Fruchtbarkeit abwechselten; schroffe Hügel stiegen in Wellen an, türmten sich höher und höher und wurden schließlich gekrönt von schneebedeckten Gipfeln. Schnee in den Tropen! Eine weitere neue Entdeckung, ein weiteres neues Paradoxon. Erneut lag ein reiches Land vor uns, von noch viel größeren Ausmaßen als Tahiti. Durch das Fernrohr konnte man Tausende von Eingeborenen erkennen, die ihre Hütten und Arbeitsplätze verließen und in Richtung der Klippen strömten, von wo sie zu uns herüberstarrten und dabei weiße Tücher schwenkten, als würden sie den neuen Messias begrüßen.
RICHARD HOUGH
The Last Voyage of Captain James Cook
Die Leute werden reizbar, wenn das Kona-Wetter aufzieht. Nach neun oder zehn Tagen mächtiger Brandung und ohne Sonne kann es auf jeder beliebigen Straße Honolulus passieren, dass sie einem die Milz aus der Bauchhöhle treten, nur weil man einen Samoaner angehupt hat. Der samoanische Bevölkerungsanteil auf Hawaii ist groß und zunehmend auffällig. Diese Menschen sind massig, gefährlich und unberechenbar jähzornig, und in ihrem Innern erwacht der Hass, sobald sie eine Autohupe hören, egal, wem die Warnung gelten soll.
Kaukasier werden von den eingeborenen Hawaiianern »haole people« genannt, und gewalttätige rassistische Übergriffe sind immer wieder Thema in den Tageszeitungen und den abendlichen Fernsehnachrichten.
Die Geschichten sind grausig und zum Teil wohl auch wahr. Besonders beliebt ist in Waikiki gegenwärtig die Story über »eine komplette Familie aus San Francisco« – einen Anwalt, seine Frau und drei Kinder –, die von einer Gang Koreaner vergewaltigt wurden, als sie bei Sonnenuntergang am Strand spazierten; das Ganze spielte sich angeblich so dicht am Hilton ab, dass die Gäste, die auf der Hotelveranda ihre Ananas-Daiquiris schlürften, zwar ihre Schreie bis lange nach Einbruch der Dunkelheit hörten, den Lärm aber abtaten als das zeternde Gekreisch von Möwen, die sich um ihre Fressbeute stritten.
»Geh nach Einbruch der Dunkelheit nicht mal in die Nähe des
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