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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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RAMON
     
    Für einen überzeugten Hedonisten und gewohnheitsmäßigen Langschläfer erklomm Dakar die Stufen der Mitteltreppe des Althainturmes in verdächtig munterer Stimmung. Er genoß die frühe Stunde ganz ohne Katerstimmung und stürmte unsanft in den Raum, in dem die beiden Halbbrüder schliefen, wobei er den Riegel laut knarrend zurückschob und die Tür so heftig aufstieß, daß sie donnernd gegen die Wand krachte.
    Der Radau konnte sich problemlos mit dem Grollen eines schweren Geschützes messen.
    Lysaer, der an fürsorgliche Behandlung, höfliche Zurückhaltung und Kammerdiener mit ruhigen Umgangsformen gewöhnt war, blinzelte in das schmerzhaft helle Licht einer Fackel, nur um gleich darauf sein Gesicht im Kissen zu vergraben. Verärgert fluchte er, als derbe Hände ihn grob bei den Schultern packten und schüttelten.
    Der Anschlag auf seine Person endete mit einem rauhen Gelächter. Lysaer sah sich um, wobei er wahre Pein erdulden mußte, bis sich seine Augen an das gleißendhelle Licht gewöhnt hatten. Schließlich entdeckte er seinen Peiniger. Vornübergebeugt, die Hände auf den Bauch gelegt, als hätte er Schmerzen, stand Dakar vor ihm, gekleidet in ein Hemd, das nach einer Wäsche verlangte, eine am Saum ausgefranste Ledertunika und eine karierte Schärpe, die so ausgebleicht war, daß die einzig noch erkennbare Farbe Grau war. Der Blick prinzlichen Unbehagens hatte keinerlei Wirkung auf seine Zuckungen. Lysaer stützte sich auf einen Ellbogen, und strich sich eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Ausblick aus dem Fenster führte in tiefe Finsternis. »Ich kann nichts Lustiges daran finden, noch vor dem Morgengrauen von einem Wahnsinnigen geweckt zu werden.«
    Dakar setzte sich auf die gegenüberliegende Pritsche. Die Matratze kippte, und Holz und Leder des Bettrahmens gaben angesichts dieser Last ein gequältes Kreischen von sich. Der schlummernde Bettbesetzer rollte derweil einer Puppe gleich in die Richtung, die die Gravitation ihm vorgab und nur der mächtige Leib Dakars bewahrte ihn davor, zu Boden zu plumpsen. Trotzdem zeigte Arithon keine Anzeichen des Erwachens.
    »Nun?« Lysaer fixierte den Wahnsinnigen Propheten mit eisigem Blick. »Wollt Ihr mir Euren seltsamen Heiterkeitsausbruch nicht erklären?«
    »Heiterkeit?« Dakar stieß auf und zog eine betrübte Miene. »Nun, ich wette, Ihr habt noch nie zuvor in einem Atemzug so viele schmutzige Wörter benutzt.«
    »Das soll wohl heißen, daß ich meine Kinderstube vergessen habe.« Lysaer hatte sich weit genug von dem unsanften Erwachen erholt, um Toleranz zu zeigen, und er konterte mit einem boshaften Grinsen. »Meinen Ruf werde ich mir wohl trotzdem kaum verderben können. Ihr seht jedenfalls nicht nach einer Dame aus, die ich zu beeindrucken versucht sein könnte.« Ehe Dakar ihm antworten konnte, fügte er hinzu: »Versucht das doch einmal mit unserem Herrn der Schatten. Mal sehen, welche Worte ihm dazu einfallen werden.«
    »Ach?« Dakar drehte sich um, streckte die Hand aus und zwickte Arithon in die Wange, doch er erhielt keine Antwort. Arithon zuckte mit keiner Wimper. Ganz trocken sagte der Wahnsinnige Prophet: »Der wird heute morgen gar nicht erst aufwachen, dafür ist er immer noch viel zu erschöpft, und das ist auch gut so. Asandir will, daß er schläft.«
    Ein schwacher Eindruck des Widerstrebens veranlaßte Lysaer zu der Annahme, daß sich hinter der Bemerkung Dakars eine Absicht verbarg, also erhob sich der Prinz und griff nach Hose und Hemd. »Wir verlassen den Althainturm also heute?«
    »Noch in der Nacht, vor Sonnenaufgang.« Mit dem naiven Gesichtsausdruck eines Rindviehs stemmte sich Dakar von der Pritsche hoch und betrachtete eingehend seine Finger, die noch immer die Spuren seines Kampfes gegen die von Kharadmon verriegelte Tür trugen. »Wir werden in der nächsten Stunde abreisen, aber entgegen aller gesundheitlichen Bedenken werden wir die Instrellbucht nicht mit dem Boot überqueren, denn die Zauberer haben beschlossen, daß wir uns beeilen müssen.«
    Lysaer maß die Enden seiner Hemdschnur gegeneinander ab, um sie auf eine einheitliche Länge zu bringen, ehe er sie verschnüren wollte. »Warum?«
    Es widerstrebte dem Wahnsinnigen Propheten zu antworten, also bohrte er einen Finger in seinen wirren Bart und zuckte die Schultern. »Nicht einmal Daelion, der Herr des Schicksals, vermag die Wege der Bruderschaft zu ergründen.« Dann, getrieben von der Notwendigkeit, sich seinen vernachlässigten Pflichten

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