Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
von dem gepeinigten Aufschrei Dakars. Noch immer heulend, zog er die Hand zurück, während das Bündel, das er von seinem angestammten Platz gezogen hatte, von dem Regalbrett herunterrollte.
Mit einem lauten Klirren schlug es auf dem Boden auf, und ein weiterer Blitz verschmorte seine lederne Hülle. Geblendet blinzelte Lysaer in die Wolke ätzender Asche und erkannte ein melonengroßes, violettes Juwel, daß polternd über den Steinboden rollte. Die Facetten des Steines glühten förmlich. Funken sprühten bei jeder ihrer Berührungen mit dem Boden.
»Bei allen Dämonen!« Dakar leckte sich über die schmerzenden Fingerknöchel und bedachte Traithe mit einem böswilligen Blick. »Das ist der Wegstein der Zauberinnen von Koriathain!«
»Offensichtlich.« Schatten bewegten sich im Licht der Flammen, als der Zauberer seine offene Schatulle zur Seite schob und den rollenden Kristall ungerührt auffing. Die Funken erstarben, und kein plötzlicher Schmerz strafte seine Berührung.
»Morriel würde ihre Jungfräulichkeit dafür geben, wenn sie nur in Erfahrung bringen könnte, was aus dem Ding geworden ist!« Einigermaßen besänftigt fügte Dakar hinzu: »Sie und ihr Hexenpack suchen diesen Stein schon seit Jahrhunderten, dabei hat Sethvir ihn hier versteckt, die ganze Zeit.«
Ganz versunken in die dunklen Tiefen, die das Licht reflektierten, drehte Traithe den gewaltigen Amethysten in seinen Händen. »Niemand hat dich nach deiner grobschlächtigen Meinung gefragt hat. Trotzdem bekommst du deine Antwort, dieses eine Mal. Die Oberste Zauberin hätte lediglich fragen müssen, wo sich der Stein befindet.« Seine Augen blitzten stechendscharf auf. »Aber Morriels unsinniger Stolz hat dafür gesorgt, daß der Stein sich noch immer hier im Althainturm befindet.«
Doch derartige Feinheiten waren verschwendet an Dakar, der sich zu einem jungenhaften Pfiff hinreißen ließ. »Die Schlampen werden verdammt sauer reagieren, wenn sie das erfahren.«
Die Aussicht auf einen Skandal, wie ihn nur ein Dummkopf heraufbeschwören konnte, weckte Traithes Tadel. »Uns allen wäre besser gedient, wenn du zu Sethvir gingest und ihn um ein Stück Leder bätest, mit dem wir den Stein wieder einwickeln können.«
Zu schlau, als daß er einem Zauberer die Stirn bieten würde, der in solch einem Ton zu ihm sprach, verließ Dakar grollend den Raum. Zurück in Gesellschaft eines unerträglich neugierigen Prinzen, beschloß Traithe die Geschichte zu Ende zu bringen. »Der Wegstein ging während der Rebellion verloren. Wie Ihr gesehen habt, ist er durch einen machtvollen Bann geschützt. Dennoch war es nachlässig von den Ältesten der Korianizauberinnen, einen so wertvollen Talisman unbewacht zu lassen.«
Traithe erwähnte nicht, daß der Verlust dieser gewaltigen Machtquelle auch den Hang des Ordens eingeschränkt hatte, sich fortwährend in Dinge einzumischen, die weit über das Begriffsvermögen der Schwestern hinausgingen. Ganz bestimmt würde Sethvir den Ältesten nicht freiwillig verraten, wo sich der Stein befand, den sie so gerne zurückhaben wollten. Der Hüter des Althainturmes konnte ebenso arglistig wie Davien der Verräter sein, obgleich er aussah, als könne er kein Wässerchen trüben.
Traithe fixierte Lysaer mit einem undurchdringlichen Blick. »Wenn Ihr damit fertig seid, diese Bündel da auszupacken, dann werdet Ihr vermutlich finden, was wir gesucht haben.« Er legte den Großen Wegstein zur Seite und deutete auf die zwei halbausgewickelten Gegenstände, die auf dem Deckel der Truhe lagen.
Lysaer nahm eines der Bündel an sich und befreite es von den letzten Lagen aus Leintuch. Zum Vorschein kam eine schmale, goldene Krone, deren einzige Zierde aus verblaßten Runen bestand. Das kleinere Bündel, das Traithe selbst ausgepackt hatte, enthielt eine sechseckige Schildplattschatulle. In ihrem Inneren glitzerte auf weichem Leder eine Kollektion verschiedener Rubine. Es waren wenigstens ein Dutzend Edelsteine, deren Schliff von solcher Präzision war, daß er nicht von Menschenhand sein konnte. Diese Juwelen brauchten keine Fassung, um zu beeindrucken; ihre tiefrote Farbe leuchtete wie lebhaftes Feuer im Licht der Fackel neben der Tür. Lysaer keuchte, beeindruckt von dem reichen Erbe, das den Pflegesohn eines Färbers erwartete, dessen rechtmäßiger Anspruch auf den Thron von Havish bald enthüllt werden sollte.
»Man hat die Amtsinsignien wegen des Goldes eingeschmolzen«, erzählte Traithe betrübt. Für einen Augenblick
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