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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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machte er weniger den Eindruck eines Zauberers als den eines lahmen, furchtbar ausgezehrten, alten Schwertkämpfers, der sich in Erinnerungen an schlimme Zeiten verlor. »Diese Entweihung ist wirklich eine große Schande. Aber Telmandir war der erste Herrschaftssitz, der geplündert und den Flammen geopfert wurde. Nur die Juwelen und das jüngste Kind des Königs konnten gerettet werden.«
    Wie aus weiter Ferne nahm Lysaer den Kummer des Zauberers wahr. Die schlichte Krone, die er in Händen hielt, war alt, und hinter ihren Beulen und Kratzern erahnte er ihre bescheidenen Ursprünge. Zutiefst beeindruckt erkannte er, wie unglaublich alt die Hohekönigreiche Atheras sein mußten, und die Ahnung, wie viele Generationen den Thron bestiegen hatten, erfüllte Lysaer mit Ehrfurcht.
    Die verbeulte Krone der Prinzen zu Havish und die Rubine, die Schmuckstücken entrissen worden waren, deren Kostbarkeit kaum vorstellbar war, legten noch immer Zeugnis von einer vergangenen Stabilität ab, die nun zur Gänze zerstört worden war, geopfert jener Notlage, die die Paravianer dazu veranlaßt hatte, den Althainturm inmitten der kahlen Hügel dieser Wildnis zu erbauen, um eine unverzichtbare Tradition zu wahren. Lysaer empfand tiefe Demut.
    Sein Erbe als s’Ilessid in Athera war unendlich groß, verglichen mit dem kleinen Inselkönigreich, das er in der Welt zurückgelassen hatte, in der er geboren worden war.
    Der Pomp, der Reichtum, jeglicher zeremonielle Prunk, der Teil der Herrschaft gewesen zu sein schien, all das hatte plötzlich sämtliche Bedeutung verloren: Lysaer erkannte, wie gering seine Erfahrung und wie eingeschränkt sein Blickfeld war. Nun schämte er sich seiner Vermessenheit, schämte sich, es gewagt zu haben, ein Urteil über das Leben der Barbaren von Camris abgeben zu wollen. Erst mußte er ihre Notlage verstehen, ehe er sie zu beurteilen suchte, und um seine Kritik umzusetzen, würde er zunächst das Vertrauen zu seinem Halbbruder wieder aufbauen. So schmerzhaft ehrlich zu sich selbst, erkannte Lysaer auch, daß er ein neues Rechtsverständnis gewinnen mußte, um dem Königreich Tysan ein gerechter Herrscher sein zu können. Die grobe Handwerksarbeit der alten Krone und der unheimliche Liebreiz der Kronjuwelen von Havish veranlaßten ihn zu einem kühlen und differenzierten Blick auf seine eigenen Fähigkeiten als ein gewöhnlicher Sterblicher.
    Lysaer übergab Traithe das Geschmeide, wobei er so sanft und schüchtern wie nie zuvor in seinem Leben war. »Ich bin Euch zu Dank verpflichtet für Euer Angebot, mich im Umgang mit meiner Gabe zu unterrichten, aber ich kann ganz klar erkennen, daß der Weg eines Magiers nicht der meine sein kann. Meine Rolle im Kampf gegen den Nebelgeist ist nichts weiter als eine Vorstufe vor meiner eigentlichen Aufgabe, die darin bestehen wird, die Kluft zwischen den Städtern und den Clanangehörigen zu überbrücken. Das Wohl von Tysan erfordert schließlich meine ganze Hingabe.«
    Beeindruckt von der Aufrichtigkeit, die der Selbstaufopferung dieses Prinzen zugrunde lag, schloß Traithe die Hände um die Juwelen und verdeckte ihr blutigrotes Feuer. Zu den Sorgen des Zauberers gesellte sich die grimmige Vorhersage des Netzes. Ebenso wie der Große Wegstein, den die Korianizauberinnen so schmerzlich zurückersehnten, mußten auch die Saphire aus den Kronjuwelen Tysans in Sethvirs Obhut im Althainturm verbleiben. Daß dieser sanftmütige Abkömmling der Könige von Tysan, dessen wahres Talent in der Führung des Volkes lag, eines Tages durch die Machenschaften des Nebelgeistes all die edlen Absichten verlieren sollte, die derzeit sein Denken beherrschten, schien eine ganz unglaublich grausame Fügung des Schicksals zu sein.

 
Vorboten
     
    Im kalten Licht der Morgendämmerung galoppiert ein dunkles Pferd mit seinem schwarzgekleideten Reiter gen Süden, nach Ghent im Königreich Havish; unter seinem Jagdbogen und der Ausrüstung eines Försters verbirgt er einen Satz Rubine und eine kleine Krone, während über seinem Hut mit dem Silberband ein Rabe seiner Spur folgt …
     
    Weit über dem Land, ja noch oberhalb der wirbelnden Nebel des Desh-Thiere, jagt der entleibte Zauberer Kharadmon auf den Winden ostwärts, um die Macht des Rates von Etarra zu beurteilen …
     
    Zu müde und genügsam, sich abzuhetzen, gleitet Luhaine gen Westen nach Camris, und mit sich bringt er Neuigkeiten und böse Vorzeichen für Maenalle, Dienerin von Tysan …

 
10
DAS ÖDLAND VON DAON

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